Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Regelsätze. PKH-Bewilligung. fehlende hinreichende Erfolgsaussicht

 

Leitsatz (amtlich)

Ab der Verkündung des Urteils des BSG in dem Verfahren B 14 AS 153/11 R am 12. Juli 2012 besteht im Rahmen der PKH-Bewilligung keine hinreichende Erfolgsaussicht mehr für ein Begehren auf die Gewährung einer höheren Regelleistung, das mit der Begründung der Verfassungswidrigkeit der ab 1. Januar 2011 gültigen Regelsätze nach dem SGB II geltend gemacht wird.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 10. Oktober 2011 (Versagung von Prozesskostenhilfe) aufgehoben.

Dem Kläger wird für sein Klageverfahren F. vor dem Sozialgericht Hannover unter Beiordnung von Rechtsanwalt G. H., I., ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt.

Eine Kostenerstattung im Beschwerdeverfahren findet nicht statt.

 

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung eines Klageverfahrens vor dem Sozialgericht (SG) Hannover.

In der Sache geht es um die Bewilligung höherer Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Mai 2011. Gegen den insoweit maßgeblichen Bescheid des Beklagten vom 26. März 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2011 hat der Kläger am 28. Juli 2011 Klage beim SG Hannover erhoben. Zur Begründung hat er ausschließlich geltend gemacht, dass die Neufestsetzung des Regelbedarfs aus verschiedensten Gründen nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) entspreche und verfassungswidrig sei.

Mit Beschluss vom 10. Oktober 2011 hat das SG die Bewilligung von PKH mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger selbst dann keine Besserstellung erlangen könne, wenn das BVerfG erneut die Verfassungswidrigkeit der neuen Regelbedarfsbemessung feststelle. Denn wie sich aus seiner Entscheidung vom 9. Februar 2010 ergebe, bestünden keine Auswirkungen auf anhängige Verfahren. Im Übrigen sei nicht nachvollziehbar, dass die Regelbedarfe nach ihrer Erhöhung evident unzureichend zur Bestreitung des Lebensunterhaltes seien.

Gegen den seinen Bevollmächtigten am 15. Oktober 2011 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 15. November 2011 Beschwerde eingelegt.

Zur Begründung macht er geltend, dass in gleichgelagerten Verfahren vor dem SG Hannover PKH bewilligt worden sei.

Der Beklagte hat Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die von dem Beklagten als Verwaltungsvorgänge vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG - statthafte und zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Bewilligung von PKH unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten, weil er nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen und seine Rechtsverfolgung zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung hinreichende Erfolgsaussichten im Sinne des § 73a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung - ZPO - hatte.

Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht ist zu berücksichtigen, dass die Anwendung des § 114 ZPO dem aus Art 3 Abs 1, Art 19 Abs 4 und Art 20 Abs 3 Grundgesetz abzuleitenden verfassungsrechtlichen Gebot entsprechen soll, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend anzugleichen. Daher dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden; hinreichende Erfolgsaussicht ist z. B. zu bejahen, wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der die PKH begehrenden Partei ausgehen wird (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 29. September 2004 - 1 BvR 1281/04, Beschluss vom 14. April 2003 - 1 BvR 1998/02 und Beschluss vom 12. Januar 1993 - 2 BvR 1584/92; Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 - SozR 3- 1500 § 62 Nr. 19; Meyer- Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7a m.w.N.) Wirft der Rechtsstreit eine Rechtsfrage auf, die in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, aber klärungsbedürftig ist, liegt hinreichende Erfolgsaussicht ebenfalls vor; in diesem Fall muss PKH bewilligt werden (Meyer- Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 73a Rdnr. 7b unter Hinweis auf die Rspr. des BVerfG).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat das SG die für die Bewilligung von PKH erforderliche Erfolgsaussicht zu Unrecht verneint.

Grundsätzlich ist für die Prüfung der Erfolgsaussicht einer PKH-Beschwerde zwar auf de...

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