Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Unionsbürger. Verfassungsmäßigkeit. vorläufige Leistung. Ermessensreduzierung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II in der seit 29.12.2016 geltenden Fassung ist verfassungsgemäß.
2. Bei der Prüfung des Anspruchs auf Gewährung vorläufiger Leistungen nach § 41a Abs 7 SGB II ist das Ermessen nicht allein aufgrund des existenzsichernden Charakters der Leistungen nach dem SGB II stets auf Null reduziert. Es müssen weitere gewichtige Gründe hinzutreten, um eine Ermessensreduzierung auf Null zu begründen.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 22. Februar 2017 (S 46 AS 215/17 ER) wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Antragsteller wenden sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts (SG) Hannover vom 22. Februar 2017 (S 46 AS 215/17 ER), der in den beglaubigten Abschriften offensichtlich versehentlich das Datum 21. Februar 2017 trägt und mit dem das SG den Antrag auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) über den 31. Januar 2017 hinaus abgelehnt hat.
Die Antragsteller sind bulgarische Staatsangehörige und sind im Dezember 2013 in die Bundesrepublik eingereist. In der Zeit vom 1. Mai bis 30. September 2014 war die Antragstellerin für vier Stunden täglich als Reinigungskraft versicherungspflichtig, anschließend vom 1. Oktober 2014 bis 15. Februar 2015 bei derselben Firma als Reinigungskraft geringfügig (zwei Stunden täglich) beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde wegen fehlender Aufträge gekündigt. Auf ihren Antrag hin erhielten die Antragsteller zunächst bis 15. August 2015 Leistungen nach dem SGB II. Die Antragsteller, die nach eigenen Angaben zunächst bei einem Neffen, unter der Anschrift H. 43 in I. und danach bei verschiedenen Bekannten gewohnt hatten, zogen mit Zusicherung des Antragsgegners am 16. Juli 2015 in die Zwei-Zimmer-Wohnung im J. 3 in I. ein. Gegen die Leistungsablehnung für die Zeit ab 15. August 2015 legten sie Widerspruch ein und erstritten im einstweiligen Rechtsschutz die Gewährung von Leistungen bis 31. Januar 2016 (Beschluss des SG Hannover vom 12. August 2015 - S 46 AS 2627/15 ER). In der Folgezeit bewilligte der Antragsgegner mit Bescheiden vom 25. Januar 2016 und 1. Juli 2016 Leistungen für die Zeit von Februar 2016 bis einschließlich Januar 2017, wobei diese Leistungsbewilligungen möglicherweise "versehentlich" erfolgten (vgl. Schriftsatz des Antragsgegners vom 10. Februar 2017).
Den am 27. Dezember 2016 gestellten Antrag auf Weiterbewilligung von Leistungen lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 30. Dezember 2016 unter Bezugnahme auf § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II ab. Am 10. Januar 2017 legten die anwaltlich vertretenen Antragsteller Widerspruch ein. Der Prozessbevollmächtigte wies darauf hin, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei der Antrag auch als Antrag nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) zu verstehen und weiterzuleiten. Der Antragsgegner wies am 17. Januar 2017 darauf hin, Anträge nach dem SGB XII seien bei der Region I. zu stellen. Der Widerspruch wurde inzwischen mit Bescheid vom 17. März 2017 zurückgewiesen. Gegen den zurückweisenden Widerspruchsbescheid wurde Klage vor dem SG Hannover erhoben (S 46 AS 1227/17).
Am 20. Januar 2017 beantragten die Antragsteller bei dem SG Hannover im einstweiligen Rechtsschutzwege, den Antragsgegner zu verpflichten, die ihnen gesetzlich zustehenden Leistungen zu bewilligen und über den 31. Januar 2016 (gemeint wohl: 2017) hinaus auszuzahlen. Sie seien vermögenslos. Ein Leistungsausschluss sei nicht erkennbar. Sie seien nach Deutschland gekommen, um zu arbeiten und auch wegen des gemeinsamen Sohnes und dessen Frau und deren zwei Kinder, die auch in I. lebten und alle Bulgaren seien. Seit Januar 2016 hätten die Antragsteller nicht mehr gearbeitet. Sollte aus diesem Grund kein Anspruch nach dem SGB II bestehen, könne unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG ein Anspruch nach dem SGB XII in Frage kommen. Es ergebe sich dann ein Leistungsanspruch aus § 23 SGB XII. Das SG hat darauf hingewiesen, dass eine Beiladung nicht in Betracht komme. Bei dem Anspruch nach § 23 Abs 1 Satz 3 SGB II handele es sich um ein Aliud, bei dem zudem eine Ermessensentscheidung erforderlich sei.
Das SG hat mit Beschluss vom 22. Februar 2017 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Die Antragsteller hätten keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Als bulgarische Staatsangehörige unterfielen sie dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2b SGB II in der seit 29. Dezember 2016 geltenden Fassung (n.F.). Ein anderes Aufenthaltsrecht als eines zum Zwecke der Arbeitsuche sei nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere bestehe kein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehme...