Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Sozialhilferecht. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Unionsbürger. nur Anspruch auf Überbrückungsleistungen
Leitsatz (amtlich)
Erwerbsfähige Unionsbürger, die allein ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche haben und von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind (vgl § 7 Abs 1 S 2 SGB II), haben - mit Ausnahme von Überbrückungsleistungen - nach § 23 Abs 3 S 1 SGB XII auch keinen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII. Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht unter Berücksichtigung des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA; juris: EuFürsAbk).
Tenor
Auf die Beschwerde des Beigeladenen wird der Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 23. November 2017 aufgehoben.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Die Anschlussbeschwerde der Antragsteller wird zurückgewiesen.
Eine Kostenerstattung findet in beiden Rechtszügen nicht statt.
Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt G., H., bewilligt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutzes um Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII); hilfsweise begehren die Antragsteller eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Der am I. 1953 geborene Antragsteller zu 1. und die am J. 1954 geborene Antragstellerin zu 2. stammen aus Usbekistan. Sie sind portugiesische Staatsangehörige. Der Antragsteller zu 1. ist seit dem 06.01.2016 in K. gemeldet. Er soll bis zum 14.04.2016 für drei Tage versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein. Für die Zeit vom 11.04. bis zum 11.05.2016 war er über einen sog. Haushaltscheck bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See-Minijob-Zentrale als Haushaltshilfe für Privathaushalte gemeldet. Ab dem 01.04.2016 gewährte ihm der Antragsgegner Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende (vgl u.a. Bewilligungsbescheid vom 20.04.2016). Ab dem 01.09.2016 bezog auch die Ehefrau des Antragstellers zu 1., die Antragstellerin zu 2., die seit dem 26.09.2016 in K. gemeldet ist, Leistungen nach dem SGB II (vgl u.a. Änderungsbescheid vom 01.12.2016). Die Leistungsgewährungen erfolgten insgesamt bis zum 30.04.2017.
Den Weiterbewilligungsantrag vom 10. März 2017 lehnte der Antragsgegner durch Bescheid vom 04.05.2017 und Widerspruchsbescheid vom 20.06.2017 ab, da für die Antragsteller nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU nur ein Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche bestehe und sie daher gemäß § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen seien. Nur für die sechs Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 13.04.2016 habe ein fortwirkendes Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer bestanden, sodass nur in dieser Zeit ein Anspruch auf Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende gegeben gewesen sei. Dass nach Ablauf der sechs Monate weiterhin Leistungen gezahlt worden seien, begründe jedoch keinen Anspruch auf die Fortführung der rechtswidrigen Leistungsgewährung. Die Antragsteller haben am 22. Juni 2017 Klage gegen den Antragsgegner beim Sozialgericht (SG) Hannover erhoben (Az.: S 68 AS 2103/17).
Auf Antrag vom 11.05.2017 gewährte der Beigeladene den Antragstellern mit Bescheid vom 23.05.2017 für die Zeit vom 01. bis zum 31.05.2017 Leistungen nach dem SGB XII, um den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies er durch Bescheid vom 05.07.2017 zurück. Einen erneuten Antrag auf Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt lehnte er durch Bescheid vom 03.08. und Widerspruchsbescheid vom 22.08.2017 ab, da sich das Aufenthaltsrecht der Antragsteller allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe und sie daher dem Leistungsausschluss nach § 23 Abs 3 SGB XII unterfielen. Die Antragsteller haben dagegen am 20.09.2017 beim SG Hannover Klage erhoben (Az.: S 81 SO 378/17).
Die Antragsteller haben am 2. November 2017 beim SG Hannover um Gewährung einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutzes gegen den Antragsgegner nachgesucht. Zur Begründung haben sie geltend gemacht, dass auch zwischen April 2016 und April 2017 nur ein Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Arbeitsuche vorgelegen habe. Gleichwohl seien ihnen Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende gewährt worden, sodass nicht nachvollziehbar sei, warum ab Mai 2017 keine Leistungsbewilligung mehr erfolgt sei. Ferner haben sie geltend gemacht, dass die Antragstellerin zu 2. seit dem 2. Mai 2017 bei ihrem Sohn, dem Zeugen L.M. geringfügig beschäftigt sei, sodass sich auch vor diesem Hintergrund ein Leistungsanspruch ergebe. Erst mit Schriftsatz vom 14.11.2017 hat der Bevollmächtigte der Antragsteller mitgeteilt, dass die Antragstellerin zu 2. das Arbeitsverhältnis gesundheitsbedingt zum 31.08.2017 aufgegeben habe.
Mit Beschluss vom 16. November 2017 hat das SG den Landkreis Nienburg als ...