Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Dokumentenpauschale. Kopie iS von Nr 7000 RVG-VV. kein Verstoß gegen Verfassungsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Kopie im Sinne des anwaltlichen Vergütungsrechts nach Nr 7000 VV RVG (juris: RVG-VV) in der Fassung des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes (nF) (juris: KostRMoG 2) ist nur die Reproduktion einer Vorlage auf einem körperlichen Gegenstand, beispielsweise auf Papier, Karton oder Folie.

2. Nach Nr 7000 Nr 1 Buchst a VV RVG nF entsteht für das bloße Einscannen von Urkunden, Dokumenten oder sonstigen Unterlagen keine Dokumentenpauschale.

3. Nr 7000 VV RVG ist nicht verfassungswidrig, insbesondere liegt kein Verstoß gegen Art 20a GG vor.

 

Tenor

Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stade vom 13. Januar 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Rechtsanwaltsvergütung in einem Prozesskostenhil-feverfahren.

Der Beschwerdeführer wurde mit Beschlüssen des Sozialgerichts (SG) Stade vom 23. Januar 2015 in den Klageverfahren zu den Aktenzeichen S 18 AS 223/14, S 18 AS 224/14 und S 18 AS 225/14 jeweils dem dortigen Kläger als Prozessbevollmächtigter ab Antragstellung, dem 29. April 2014, beigeordnet. In den am 29. April 2014 anhängig gemachten Klageverfahren stritten die dortigen Beteiligten um Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Beschluss vom 23. Januar 2015 verband das SG die Verfahren S 18 AS 223/14, S 18 AS 224/14 und S 18 AS 225/14 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung und bestimmte das Verfahren S 18 AS 223/14 zum führenden Verfahren. Das Verfahren endete in der mündlichen Verhandlung vom 24. September 2015 durch Vergleich.

Am 21. Oktober 2015 beantragte der Beschwerdeführer die Erstattung der Gebühren des beigeordneten Rechtsanwalts für seine Tätigkeit im Klageverfahren in Höhe von insgesamt 1.844,26 Euro. Dabei machte er folgende Gebühren und Auslagen geltend:

3 x Verfahrensgebühren (Nr. 3102 VV RVG)

900,00 Euro

Terminsgebühr (Nr. 3106 VV RVG)

280,00 Euro

Einigungsgebühr (Nr. 1006 VV RVG)

300,00 Euro

Fahrtkosten (Nr. 7003 VV RVG)

7,20 Euro

Pauschale für Entgelte für Post und Telekommunikation (Nr. 7002 VV RVG)

20,00 Euro

Dokumentenpauschale (Nr. 7000 Nr. 1a VV RVG) für 84 digital gescannte Seiten aus Behörden- und Gerichtsakten

 30,10 Euro

Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG)

294,46 Euro

Gesamt

1.844,26 Euro

Mit Beschluss vom 18. November 2015 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) des SG die dem Beschwerdeführer aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung auf insgesamt 1.808,44 Euro fest. Dabei setzte die UdG die Gebühren und Auslagen bis auf die Dokumentenpauschale (Nr. 7000 VV RVG) antragsgemäß fest, im Einzelnen:

3 x Verfahrensgebühren (Nr. 3102 VV RVG)

900,00 Euro

Terminsgebühr (Nr. 3106 VV RVG)

280,00 Euro

Einigungsgebühr (Nr. 1006 VV RVG)

300,00 Euro

Fahrtkosten (Nr. 7003 VV RVG)

7,20 Euro

Pauschale für Entgelte für Post und Telekommunikation (Nr. 7002 VV RVG)

20,00 Euro

Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG)

288,74 Euro

Gesamt

1.808,44 Euro

Zur Begründung führte sie aus, dass für Ablichtungen aus Akten eine Dokumentenpauschale nur dann gefordert werden könne, soweit dies zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten gewesen sei. Das Einscannen begründe keinen Ersatzanspruch.

Dagegen legte der Beschwerdeführer am 27. November 2015 Erinnerung ein. Es sei nicht nachvollziehbar, warum mit dem 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (2. KostRMoG) die mit dem Einscannen verbundenen Arbeiten nicht mehr honoriert würden, sondern erst beim Ausdrucken. Der Scan eines Dokuments stelle eine digitale Kopie dar, die nach Nr. 7000 VV RVG abrechenbar sei. Eine Kopie müsse nicht zwingend auf Papier o.ä. verkörpert sein.

Das SG hat mit Beschluss vom 13. Januar 2016 die Erinnerung zurückgewiesen und die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Der Beschwerdeführer habe von der Verwaltungsakte keine Kopien gefertigt, sondern Teile davon eingescannt. Ein Ausdruck sei nicht erfolgt. Die Frage, ob der mit dem Einscannen und Speichern der Daten auf einem Datenträger verbundene Aufwand mit der Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 VV RVG abzugelten sei, habe der Gesetzgeber in den Motiven zum 2. KostRMoG dahingehend beantwortet, dass es sich bei einem Scan nicht um eine Kopie handele. Eine Berücksichtigung von bloßen Scans scheide insoweit aus. Die Neuregelung der Nr. 7000 Abs. 2 VV RVG (Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien oder deren Bereitstellung zum Abruf anstelle der in Nummer 1 Buchstabe d genannten Kopien und Ausdrucke) nach der Datei 1,50 Euro vergütet werde, finde vorliegend keine Anwendung, weil die Vorschrift nur dann einschlägig sei, wenn eingescannte Dokumente im Einverständnis mit dem Auftraggeber zum Zwecke der Überlassung von der Papierform in die elektronische Form übertragen würden. Dies sei hier nicht der Fall.

Gegen den am 20. Januar 2016 zugestell...

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