Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen gegen Verwaltungsvollstreckungsmaßnahmen
Leitsatz (amtlich)
1. Landesrechtliche Vorschriften, nach denen Rechtsbehelfen gegen Verwaltungsvollstreckungsmaßnahmen keine aufschiebende Wirkung zukommt (hier: § 64 Abs. 4 Satz 1 Niedersächsisches Gesetz über die öffentliche Sicherung und Ordnung - Nds. SOG -) erzeugen diese Wirkung nicht auch nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG -. Diese Rechtsfolge kann nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG nur auf bundesgesetzlicher Grundlage ausgelöst werden. Im SGG fehlt eine dem § 80 Abs. 2 Nr. 3, 2. Alt VwGO (bezw. § 187 Abs. 3 VwGO a. F.) entsprechende Vorschrift.
2. Entscheidungen über Geldleistungen im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung (Zwangsgeldfestsetzung) unterfallen nicht § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Hildesheim vom 15.Januar2007 wird aufgehoben.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 01.November2006 gegen den Bescheid der Samtgemeinde D. vom 02.Oktober2006 wird angeordnet.
Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers beider Instanzen zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen Vollstreckungsmaßnahmen des Antragsgegners beziehungsweise der in dessen Namen und Auftrag handelnden Samtgemeinde Bad E. zur Durchsetzung einer Auskunftspflicht nach §60 Abs.4 Zweites Buch Sozialgesetzbuch.
Der am 14.Mai 1942 geborene Antragsteller war als Handelsvertreter beruflich tätig. Er bewohnt zusammen mit der 1956 geborenen Frau F. eine Wohnung unter der Anschrift G. in H.. Der Antragsgegner hatte Frau I. zuletzt Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende bis zum 31.März 2006 bewilligt. Im Rahmen der Prüfung eines Fortzahlungsantrages hörte er Frau J. zu einer Leistungsablehnung wegen Bestehens einer Einstandsgemeinschaft mit dem Antragsteller an. Im Rahmen des daraufhin angestrengten Verfahrens auf Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes verpflichtete das Sozialgericht (SG) Hildesheim den Antragsgegner mit Beschluss vom 19.05.2006 (S 33 AS 437/06 ER) zur vorläufigen Gewährung von Grundsicherungsleistungen in Höhe von monatlich 311,00€. Im Übrigen lehnte es den Antrag ab. Zwar bestehe zwischen dem Antragsteller und Frau J. eine eheähnliche Gemeinschaft. Da Frau J. jedoch hinsichtlich der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers nicht gegenüber dem Antragsgegner auskunftspflichtig sei, könne eine Leistungsverweigerung nicht auf diesen Umstand gestützt werden. Die dagegen erhobene Beschwerde der Frau J. wies das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen wegen fehlender Eilbedürftigkeit mit Beschluss vom 08.September 2006 (L 6 AS 468/06 ER) zurück, wobei es im Übrigen auch von gewichtigen Indizien für das Vorliegen einer Einstandsgemeinschaft ausging.
Mit Bescheid vom 23.Juni 2006 gab die im Namen des Antragsgegners handelnde Samtgemeinde D. dem Antragsteller auf, bis zum 10.Juli 2006 anhand eines beigefügten Fragebogens Auskünfte über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse seit dem 01.Januar 2005 zu geben und entsprechende Belege beizufügen. Für den Fall der nicht fristgerechten Auskunftserteilung drohte sie ein Zwangsgeld in Höhe von 300,00€ an. Gleichzeitig ordnete sie die sofortige Vollziehung des Auskunftsverlangens an und begründete dies mit dem öffentlichen Interesse an einer zügigen Auskunftserteilung zur Prüfung der Voraussetzungen für die Gewährung von Grundsicherungsleistungen. Der Antragsteller legte dagegen Widerspruch ein, über den - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden worden ist. Mit weiterem Bescheid vom 11.Juli 2006 setzte die Samtgemeinde D. das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 300,00€ fest, gewährte eine Nachfrist bis zum 25.Juli 2006 und drohte ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 600,00€ an. Auch gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller Widerspruch, über den - soweit ersichtlich - eine Entscheidung noch nicht ergangen ist. Mit Bescheid vom 09.August 2006 setzte die Samtgemeinde D. das angedrohte weitere Zwangsgeld in Höhe von 600,00€ fest, gewährte eine Nachfrist bis zum 25.August 2006 und drohte ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 900,00€ an. Dagegen legte der Antragsteller unter dem 14.August 2006 Widerspruch ein, über den - soweit ersichtlich - ebenfalls eine Entscheidung noch nicht ergangen ist.
Am 10.August 2006 suchte der Antragsteller beim SG Hildesheim um die Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes im Hinblick auf die bislang gegen ihn ergangenen Bescheide der Samtgemeinde D. vom 23.Juni, 11.Juli und 09.August 2006 nach. Mit Beschluss vom 05.Oktober 2006 (S 23 AS 942/06 ER) lehnte das SG Hildesheim diesen Antrag ab. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung komme nicht in Betracht, da im Hinblick auf die angegriffenen Bescheide durchgreifende rechtliche Bedenken nicht bestünden. Daher überwiege das Vollzugsinteresse. Es sei von einer Einstandsgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und Frau J. auszugehe...