Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Streitwertfestsetzung. kostenprivilegierte und nicht kostenprivilegierte Streitgegenstände. objektive Klagehäufung. kombinierte Kostenentscheidung. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Streit um institutionelle Förderung von Maßnahmen eines Maßnahmenträgers. kostenpflichtiges Verfahren. Streit um Erstattung von an den Maßnahmeträger ausgezahlten, den Teilnehmern zustehenden Leistungen (hier: Mehraufwandsentschädigung und Fahrtkostenpauschale). kostenfreies Verfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Sind in einem Verfahren sowohl gerichtskostenfreie (§ 183 SGG) als auch gerichtskostenpflichtige (§ 197a SGG) Ansprüche im Sinne einer objektiven Klagehäufung streitbefangen, ergeht eine kombinierte Kostenentscheidung nach §§ 183, 197a SGG (vgl BSG vom 29.9.2006 - B 1 KR 1/06 R = BSGE 97, 112-125 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5).

2. Soweit um die institutionelle Förderung einer von einem Maßnahmeträger für SGB 2-Leistungsempfänger angebotenen Maßnahme gestritten wird, handelt es sich um einen nach § 197a SGG gerichtskostenpflichtigen Streit eines Leistungserbringers mit dem Kostenträger.

3. Der Streit um die Erstattung von an den Maßnahmeträger ausgezahlten, jedoch den Teilnehmern der Maßnahme zustehenden Leistungen (hier: Mehraufwandsentschädigung sowie Fahrkostenpauschale) unterfällt § 183 SGG.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Streitwertbeschluss des Sozialgerichts Hannover von 2. Oktober 2019 (S 82 AS 3948/10) abgeändert. Der Streitwert wird endgültig auf 115.818,41 Euro festgesetzt. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 2. Oktober 2019 - S 82 AS 3948/10 -, mit dem der Streitwert für das erstinstanzliche Klageverfahren auf 140.823,34 Euro festgesetzt worden ist.

Die Klägerin ist eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH). Sie führte in den Jahren 2005/2006 die Maßnahme „U 25 - Zusatzjobs für Jugendliche“ durch. Der Beklagte förderte diese Maßnahme nach § 16 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) in der seit 1. Januar 2005 geltenden Fassung (im Folgenden: alter Fassung - aF; nunmehr: § 16d SGB II) durch Übernahme einer monatlichen Maßnahmekostenpauschale für den Träger je Teilnehmerplatz (Trägerpauschale), eines Pauschalbetrags für den Qualifizierungsanteil der Maßnahme (10 Stunden pro Woche), einer Mehraufwandsentschädigung iHv 1,00 Euro pro Arbeitsstunde eines jeden Teilnehmers (bei einer wöchentlichen Beschäftigungszeit von 30 Stunden) sowie einer monatlichen Fahrkostenpauschale iHv 65,00 Euro pro Teilnehmer (Bescheide vom 2. März 2005, 27. Februar 2006 und 13. April 2006). Letztlich wurden für die Zeit vom 15. März 2005 bis 31. Juli 2006 folgende Beträge vom Beklagten an die Klägerin gezahlt (vgl Schlussbescheid vom 10. Juli 2007):

Mehraufwandsentschädigung (1,00 Euro je geleistete Stunde)

18.956,00 Euro

Fahrkostenpauschale für Teilnehmer

6.048,93 Euro

Trägerpauschale

14.756,41 Euro

Qualifizierungskosten

43.312,00 Euro

Summe:

83.073,34 Euro

Zusätzlich zahlte der Beklagte an die Klägerin auf der Grundlage von § 17 SGB II aF 57.750,00 Euro für die Beschäftigung einer Vollzeitkraft zur Beratung, Vermittlung und Betreuung Jugendlicher (vom Beklagten als „Mantelkosten“ bezeichnet, vgl Bescheide vom 2. März 2005, 27. Februar 2006 und 13. April 2006), somit insgesamt 140.823,34 Euro.

Vor dem SG stritten die Beteiligten um die Rücknahme der og Bewilligungsbescheide sowie um die vom Beklagten in diesem Zusammenhang geltend gemachte Erstattungsforderung iHv 140.823,34 Euro (Rücknahme- und Erstattungsbescheide vom 27. August 2008 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 17. Dezember 2008 sowie des Widerspruchsbescheides vom 25. August 2010). Nachdem sich das Hauptsacheverfahren - wie auch eine Vielzahl weiterer von den Beteiligten geführter Klageverfahren - im Wege der Mediation erledigt hatte (vgl hierzu: Vergleichsvereinbarung vom 28. April 2014, Bl 51, 52 der Gerichtsakte), setzte das SG den Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren auf 140.823,34 Euro fest (Beschluss vom 2. Oktober 2019).

Gegen den der Klägerin am 8. Oktober 2019 zugestellten Beschluss richtet sich ihre am 28. Oktober 2019 eingelegte Beschwerde. Die Klägerin macht geltend, dass sie als Leistungsempfängerin iSd § 183 Sozialgerichtsgesetz (SGG) anzusehen sei, so dass es sich bei dem Klageverfahren um ein gerichtskostenfreies Verfahren gehandelt habe. Ein nur für gerichtskostenpflichtige Verfahren (§ 197a SGG) in Betracht kommender Streitwertbeschluss habe nicht ergehen dürfen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 Euro (vgl zu dieser Wertgrenze für die Statthaftigkeit der Beschwerde: § 68 Abs 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz - GKG -), da auf der Grundlage des streitbefangenen Streitwerts bi...

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