Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. Auslandsimmobilie. Wahl der Verwertungsart. fehlendes bereites Mittel aufgrund unzureichender Verkaufsbemühungen. tatsächliche Hilfebedürftigkeit
Orientierungssatz
1. Auch wenn einem Leistungsberechtigten die Art der Vermögensverwertung grundsätzlich selbst überlassen bleibt, kann er nur zwischen den Verwertungsarten wählen, die den Hilfebedarf in etwa gleicher Weise decken, und er muss regelmäßig die Verwertungsart wählen, die den höchsten Deckungsbeitrag erbringt (vgl BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 99/11 R = SozR 4-4200 § 12 Nr 18 RdNr 28).
2. Allein die bislang noch nicht realisierte und somit lediglich theoretische Möglichkeit der “Versilberung„ von Auslandsvermögen lässt nicht die aktuell tatsächlich bestehende Hilfebedürftigkeit entfallen. Dass der Antragsteller das Fehlen bereiter Mittel infolge unzureichender Verkaufsbemühungen selbst zu vertreten hat, steht seiner tatsächlichen Hilfebedürftigkeit nicht entgegen, sondern führt allenfalls zu einem Ersatzanspruch des Grundsicherungsträgers nach § 34 SGB 2.
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 19. März 2019 wird geändert.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragstellern für die Monate Mai bis August 2019 vorläufig und unter dem Vorbehalt des Ausgangs des Hauptsacheverfahrens S 24 AS 1775/18 (Sozialgericht Braunschweig) 650,00 Euro pro Monat zu zahlen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat den Antragstellern 1/4 der notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Der Antrag, den Antragstellern für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren, wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren, den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihnen vorläufig Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) zu gewähren.
Die H. und I. geborenen und miteinander verheirateten Antragsteller verfügen über die deutsche bzw die thailändische Staatsangehörigkeit, wobei der Antragstellerin zu 2. für die Bundesrepublik Deutschland eine Niederlassungserlaubnis erteilt wurde (§ 28 Abs 2 AufenthG). Nachdem die Antragsteller von September 2009 bis 13. Mai 2018 in Thailand gelebt hatten, beantragten sie im Juni 2018 beim Antragsgegner Grundsicherungsleistungen. Sie gaben bei Antragstellung an, über Giro- und Sparkonten mit einem Kontostand von ca. 4.300,00 Euro, eine Kapitallebensversicherung (Rückkaufswert per 1. Juli 2018: 19.264,56 Euro) sowie über ein Einfamilienhaus in Thailand zu verfügen. Das Einfamilienhaus stehe im alleinigen Eigentum der Antragstellerin zu 2., da Deutsche in Thailand keine Immobilien erwerben könnten. In Thailand habe die Antragstellerin zu 2. zuletzt in ihrem Privathaus eine kleine Backstube betrieben. Der Antragsteller zu 1., dem als Ausländer mit deutscher Staatsbürgerschaft in Thailand eine Erwerbstätigkeit offiziell verboten gewesen sei, habe sich mit kleinen Jobs (“Freundschaftshilfen„) bei “anderen Ausländern im Privatbereich (Hausbau und Installation)„ sein “Taschengeld aufgebessert„. Bei dem im Eigentum der Antragstellerin zu 2. stehenden Einfamilienhaus handele es sich um ein 2006/2007 errichtetes und im Jahr 2008 von der Antragstellerin zu 2. gekauftes Haus mit einer Wohnfläche von 104 qm (Grundstücksfläche: 350 qm). Das Haus sei damals durch das thailändische Bauunternehmen nur im “Grundbau„ errichtet worden. Die restlichen Arbeiten (Fliesenarbeiten, Installation, Strom, Wasser usw) seien von den Antragstellern in Eigenleistung erbracht worden. Der Kaufpreis habe 990.000,00 Baht betragen (umgerechnet: 20.000,00 Euro; Materialkosten für Fliesen- und Sanitäranlagen im Preis inbegriffen). Für ihre ab 1. Juni 2018 angemietete möblierte Wohnung in J. sei eine Miete von 350,00 Euro pro Monat (inkl. Heizkostenabschlag) zu zahlen.
Der Antragsgegner lehnte den Leistungsantrag zunächst mit der Begründung ab, dass die Antragsteller aufgrund der Kapitallebensversicherung mit einem Rückkaufswert von mehr als 19.000,00 Euro sowie des vorhandenen Barvermögens nicht hilfebedürftig seien (Bescheid vom 14. Juni 2018). Nachdem die Antragsteller im Widerspruchsverfahren eine Bescheinigung der K. AG vorgelegt hatten, wonach ihre Kapitallebensversicherung einem Verfügungsverbot unterliege, wies der Antragsgegner den Widerspruch unter Hinweis auf das übrige Vermögen ab (Barvermögen sowie Einfamilienhaus). Auch das Haus in Thailand stelle verwertbares Vermögen dar. Es diene weder der Alterssicherung (auch nicht iSd § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II) noch sei es nach § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II geschützt (besondere Härte). Das Vermögen iHv von mehr als 24.000,00 Euro übersteige den den Antragstellern zustehenden Vermögensfreibetrag von insgesamt 16.650,00 Euro (Widerspruchsbescheid vom 27. September 2018).
Hiergegen führen die Antragsteller seit dem 24. Oktober 2018 vor dem Sozialgericht (SG) Braunschweig das Klageverfa...