Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Höhe des Vergütungsanspruchs bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur für einzelne Personen einer Streitgenossenschaft. SGB 2-Bedarfsgemeinschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Der beigeordnete Rechtsanwalt hat, wenn nicht allen Streitgenossen Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, gegen die Staatskasse einen kopfteiligen Vergütungsanspruch im Prozesskostenhilfeverfahren aus dem Gesamtbetrag der anwaltlichen Kosten für die Vertretung aller Streitgenossen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Hildesheim vom 7. Oktober 2015 aufgehoben und die Erinnerung des Beschwerdegegners gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss des SG vom 14. April 2015 zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe die Rechtsanwaltsvergütung in einem Prozesskostenhilfeverfahren zu gewähren ist, wenn lediglich einem von mehreren Klägern bzw. Streitgenossen Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt worden ist.

Der Erinnerungsführer und Beschwerdegegner wurde mit Beschluss des Sozialgerichts (SG) Hildesheim vom 12. Dezember 2013 im Klageverfahren zum Aktenzeichen (Az.) S 36 AS 966/12 (nach Wiederaufnahme Az. S 36 AS 1594/14) dem dortigen Kläger zu 1. als Prozessbevollmächtigter ab Antragstellung, dem 30. Oktober 2012, beigeordnet, nachdem das SG zuvor den Antrag des Klägers zu 1. mit Beschluss vom 5. Oktober 2012 gemäß § 73a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz i.V.m. § 118 Abs. 2 Satz 4 Zivilprozessordnung abgelehnt hatte. Die Kläger zu 2. und 3. hatten mit Schriftsatz vom 17. Juli 2012 den Antrag auf Bewilligung von PKH zurückgenommen.

In dem am 15. Juni 2012 anhängig gemachten Klageverfahren stritten die dortigen Beteiligten um die Erstattung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Das Verfahren endete durch einen gerichtlichen Vergleich.

Am 23. Dezember 2014 beantragte der Beschwerdegegner die Erstattung der Gebühren des beigeordneten Rechtsanwalts für seine Tätigkeit im Klageverfahren in Höhe von insgesamt 1.075,17 Euro. Im Einzelnen machte er Folgendes geltend: Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz in der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Fassung (VV RVG a.F.) in Höhe von 240,00 Euro nebst einer Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG a.F. für zwei weitere Auftraggeber in Höhe von 96,00 Euro, eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG a.F. in Höhe von 285,00 Euro, die Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Nr. 7002 VV RVG a.F. in Höhe von 20,00 Euro sowie 19 % Umsatzsteuer auf 903,50 Euro in Höhe von 171,67 Euro.

Unter dem 14. April 2015 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) des SG die dem Beschwerdegegner zu erstattende Vergütung auf insgesamt 358,39 Euro fest. Dabei berücksichtigte die UdG zwar die Gebühren und Auslagen grundsätzlich in der beantragten Höhe. Allerdings müsse der Gesamtbetrag von 1.075,17 Euro durch drei geteilt werden, weil nur dem Kläger zu 1. PKH gewährt worden sei.

Dagegen legte der Beschwerdegegner am 24. April 2015 Erinnerung ein. Die Kürzung der Gebühren auf ein Drittel, weil nur einem der Kläger PKH bewilligt worden sei, sei rechtswidrig, wenn die PKH-Bewilligung unbeschränkt erfolgt sei.

Das SG hat mit Beschluss vom 7. Oktober 2015 auf die Erinnerung des Beschwerdegegners den Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 14. April 2015 abgeändert und die dem Erinnerungsführer und Beschwerdegegner aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung auf 939,51 Euro festgesetzt. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Die UdG habe zu Unrecht die dem Beschwerdegegner zu gewährende Vergütung auf ein Drittel beschränkt. Der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts bestimme sich nach dem zugrunde liegenden Beschluss, mit dem PKH bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden sei. Enthalte dieser Beschluss keine Beschränkung, richte sich der Vergütungsanspruch nach § 7 RVG. Danach erhalte der Rechtsanwalt, der mehrere Auftraggeber als Streitgenossen in einem Rechtsstreit vertrete, die Gebühren in jeder Instanz nur einmal (§ 7 Abs. 1, § 15 Abs. 2 RVG); jedoch schulde jeder Auftraggeber diejenigen Gebühren und Auslagen, die er schulden würde, wenn der Rechtsanwalt nur in seinem Auftrag tätig geworden wäre (§ 7 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 RVG). Dementsprechend bestehe auch der Vergütungsanspruch bei einem uneingeschränkten Bewilligungsbeschluss in Höhe der Gebühren und Auslagen, die angefallen wären, wenn der Rechtsanwalt nur die bedürftige Partei im Rechtsstreit vertreten hätte. Anderenfalls wäre nämlich auch die bedürftige Partei einem Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB des leistungsfähigen Streitgenossen ausgesetzt, was dem Sinn und Zweck der PKH zuwider liefe. Daher seien die durch den Beschwerdegegner angesetzten Gebühren und Auslagen zwar grundsätzlich antragsgemäß festzusetzen. Allerdings sei keine Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RV...

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