Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Existenzgründungszuschuss. zweckbestimmte Einnahme
Leitsatz (amtlich)
Der Existenzgründungszuschuss nach § 421l Abs 1 SGB 3 ist eine zweckbestimmte Einnahme iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB 2. Er darf nicht als Einkommen gemäß § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 berücksichtigt werden. Der Existenzgründungszuschuss dient nicht der Sicherung des Lebensunterhalts wie die Leistungen des Arbeitslosengeld II, sondern anderen Zwecken.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 1. April 2005 geändert.
Die Antragsgegnerin wird im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes verpflichtet, den Antragstellern vorläufig - unter dem Vorbehalt der Rückforderung - Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) ohne Anrechnung des dem Antragsteller zu 2. gezahlten Existenzgründungszuschusses gemäß § 421l Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) ab dem 15. März 2005 zu gewähren.
Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller.
Tatbestand
Zwischen den Prozessbeteiligten ist noch streitig, ob der dem Antragsteller zu 2. von der Agentur für Arbeit G. mit Bescheid vom 5. August 2004 ab dem 2. August 2004 bis 1. August 2005 bewilligte Existenzgründungszuschuss in Höhe von monatlich 600,00 € auf das Arbeitslosengeld II (Alg II) der Antragsteller nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) angerechnet werden darf.
Die Antragsteller beziehen ab dem 1. Januar 2005 Leistungen nach dem SGB II durch die Antragsgegnerin (Bescheide vom 13. Januar und 16. März 2005, Widerspruchsbescheid vom 17. März 2005; dagegen Klage beim Sozialgericht - SG - Oldenburg).
Die Antragsgegnerin berücksichtigt den dem Antragsteller zu 2. gewährten Existenzgründungszuschuss als Einkommen bei der Bedarfsberechnung. Dagegen wenden sich die Antragsteller mit dem Argument, dass der Existenzgründungszuschuss zweckbestimmt dazu diene, die geschäftliche Existenz aufzubauen. Er dürfe daher nicht als Einkommen gemäß § 11 Abs 1 SGB II berücksichtigt werden.
Die Antragsteller haben am 15. März 2005 beim SG Oldenburg um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Sie haben vorgetragen, dass die Anrechnung des Existenzgründungszuschusses rechtsfehlerhaft sei. Der Antragsteller zu 2. müsse Investitionen tätigen, Wareneinkäufe vorfinanzieren, ein Lieferfahrzeug und anderes mehr. Der Antragsteller zu 2. handele ua im geringen Umfang auf Wochenmärkten mit Werkzeugen. Würde der Existenzgründungszuschuss auf die Leistungen nach dem SGB II angerechnet, liefe die Fördermaßnahme der Agentur für Arbeit ins Leere.
Das SG hat mit Beschluss vom 1. April 2005 den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass der Existenzgründungszuschuss nach § 421l Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) der Bestreitung des Lebensunterhaltes diene und damit als Einkommen gemäß § 11 Abs 1 SGB II anzurechnen sei.
Der Beschluss wurde den Antragstellern am 4. April 2005 zugestellt.
Die Antragsteller haben am 29. April 2005 Beschwerde eingelegt und nochmals vertiefend vorgetragen, dass die Anrechnung des Existenzgründungszuschusses andere Ziele verfolge, als das Alg II nach dem SGB II. Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landessozialgericht (LSG) zur Entscheidung vorgelegt.
Die Antragsteller beantragen,
1. den Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 1. April 2005 zu ändern,
2. die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen - den Antragstellern - Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ohne Anrechnung des Existenzgründungszuschusses des Antragstellers zu 2. zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin verwiesen, die Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist zulässig.
Die Statthaftigkeit der Beschwerde folgt aus § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG), wonach gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte in Verfahren dieser Art die Beschwerde stattfindet.
Die Beschwerde gegen den Beschluss vom 1. April 2005 ging fristgemäß innerhalb der Monatsfrist des § 173 Satz 1 SGG am 29. April 2005 beim SG ein.
Die Beschwerde ist begründet.
Die Antragsteller haben den behaupteten Anspruch auf Nichtanrechnung des Existenzgründungszuschusses auf ihre Leistungen nach dem SGB II glaubhaft gemacht.
Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz richtet sich nach § 86b Abs 2 SGG. Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung im Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichungen eines Rechts der Ant...