Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Vergütung von Auslagen und Zeitverlust für das Erscheinen eines Klägers zur mündlichen Verhandlung. Gebotenheit des persönlichen Erscheinens. Entschädigung eines Beteiligten. Gebotenheit des persönlichen Erscheinens des Klägers zur mündlichen Verhandlung
Leitsatz (amtlich)
Allein aufgrund der nur in der mündlichen Verhandlung bestehenden Möglichkeit eines Klägers, seine Argumente den ehrenamtlichen Richtern in eigener Person mündlich darzulegen, ist das Erscheinen eines Klägers noch nicht im Sinne des § 191 SGG geboten.
Als geboten in diesem Sinne ist das Erscheinen anzusehen, wenn es der Förderung des Rechtsstreits, insbesondere der Verfahrenserledigung oder der Sachverhaltsaufklärung gedient hat.
Tenor
Der Antrag des Klägers zu 2. auf Vergütung von Auslagen und Zeitverlust für das Erscheinen zur mündlichen Verhandlung am 10. April 2013 wird abgelehnt.
Gründe
Der Kläger zu 2. erschien am 10. April 2013 zur mündlichen Verhandlung beim Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in der Zweigstelle Bremen. Sein persönliches Erscheinen war nicht angeordnet; auch war er anwaltlich vertreten. Es wurden mehrere Berufungen wegen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB), Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - verhandelt. Vorausgegangen war ein Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 18. Februar 2013 vor dem Berichterstatter in Anwesenheit des Klägers zu 2., dessen persönliches Erscheinen zu jenem Termin angeordnet worden war und in welchem ausführlich die - komplexen - Tatsachengrundlagen besprochen worden waren. Die tatsächliche Entscheidungsgrundlage war nach dem 18. Februar 2013 umfassend geklärt, die gegenseitigen Rechtspositionen waren durch eine Vielzahl umfangreicher Schriftsätze bekannt und ausgeschrieben.
Den Entschädigungsantrag des Klägers zu 2. für die Teilnahme zum Termin am 10. April 2013, mit welchem er einen Betrag i. H. v. 129,50 € geltend gemacht hat, hat zunächst die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit Beschluss vom 13. Mai 2013 abgelehnt. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 20. Mai 2013, dem Gericht zugegangen am 24. März 2014, Antrag auf richterliche Festsetzung gestellt und sinngemäß geltend gemacht, aufgrund der - erstmaligen - Anwesenheit der ehrenamtlichen Richter in der mündlichen Verhandlung sei das Erscheinen der Kläger “geboten„, da eine Einflussnahme auf die Entscheidung des Gerichts nicht ausgeschlossen werden könne. Hinzu komme die lange Verfahrensdauer, die nicht dazu beigetragen habe, bei ihm Vertrauen entstehen zu lassen.
Der Antrag auf richterliche Festsetzung einer Entschädigung für die Teilnahme am Termin ist nicht begründet. Nach § 191 Sozialgerichtsgesetz (SGG) können einem Beteiligten auf Antrag bare Auslagen und Zeitverlust wie einem Zeugen vergütet werden, wenn er ohne Anordnung des persönlichen Erscheinen zur mündlichen Verhandlung erscheint, sofern das Gericht das Erscheinen für geboten hält. Ob das Erscheinen geboten war, hängt davon ab, welche Bedeutung den Erklärungen des Beteiligten für die Entscheidung in der Sache selbst zukommt, insbesondere ist maßgebend, ob ein Beteiligter im Termin zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen hat (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig u. a., Sozialgerichtsgesetz, 10. Auflage 2012, § 191 Rdn. 5).
Das Erscheinen des Klägers zu 2. war nicht geboten. Die weiteren Erklärungen des Klägers im Verhandlungstermin haben die Entscheidung in der Sache nicht gefördert und haben zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts, der nach dem Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vom 18. Februar 2013 umfassend ermittelt war, nicht mehr beigetragen. Die Argumentation, aufgrund der Anwesenheit der ehrenamtlichen Richter in der mündlichen Verhandlung sei das Erscheinen der Kläger geboten, da eine Einflussnahme auf die Entscheidung des Gerichts nicht ausgeschlossen werden könne, ist zwar erwägenswert. Indes betrifft dies jegliche mündliche Verhandlung vor den Sozialgerichten, und wenn der Gesetzgeber in dieser Überlegung ein entscheidendes Kriterium für die Kostenerstattung gesehen hätte, wäre die Schlussfolgerung zwingend gewesen, jedem Beteiligten - unabhängig von der Anordnung des persönlichen Erscheinens - einen derartigen Entschädigungsanspruch zu gewähren. Indes ist der Gesetzgeber in § 191 SGG einen anderen Weg gegangen und gewährt eine derartige Entschädigung, die in anderen Prozessordnungen nicht vorgesehen ist, nur in bestimmten Fällen. Diese gesetzliche Grundentscheidung ist vom Senat zu berücksichtigen. Davon ausgehend ist ein allgemeiner, regelmäßig entstehender Entschädigungsanspruch Prozessbeteiligter für letztlich in ihrem eigenen Interesse stehende Terminsteilnahmen auch dem SGG nicht zu entnehmen.
Als Ausgangspunkt und regelmäßige Grundlage des Entschädigungsanspruchs zu erblicken ist letztlich auch in der Vorschrift des § 191 SGG die fehlende Entscheidungsfreiheit des Bürgers hinsichtlich seiner Zeitgestaltung. Auslagen und Zeitverlust w...