Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Kostenerstattung. außergerichtliche Kosten. zu Lasten der Staatskasse. unzulässige Berufungseinlegung. fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung des SG

 

Orientierungssatz

Hat das Sozialgericht fehlerhaft in seiner Rechtsmittelbelehrung ausgeführt, dass der Gerichtsbescheid mit der Berufung angefochten werden könne, können mangels einer entsprechenden Vorschrift im Sozialgerichtsgesetz die außergerichtlichen Kosten eines Beteiligten für die Einlegung der unzulässigen Berufung (Nichtzulassung der Berufung durch das SG und Nichterreichen des Beschwerdewertes) nicht der Staatskasse auferlegt werden.

 

Tenor

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

 

Gründe

I. Die Klägerin erstrebt die gerichtliche Feststellung, dass ihre außergerichtlichen Kosten für das aufgrund einer im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts (SG) Hannover verwendeten fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung von ihr geführte und beendete Berufungsverfahren der Staatskasse aufzuerlegen sind.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 13. Februar 2017 (Eingang am 17. Februar 2017) Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG Hannover vom 24. Januar 2017 (Az.: S 22 U 294/15) eingelegt, mit dem das SG ihren erstinstanzlich geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld sowie entstandener Rechtsanwaltkosten in einer Gesamthöhe von Euro 707,56 abgewiesen hat.

Das SG hat dabei in seiner Rechtsbehelfsbelehrung ausgeführt, dass der Gerichtsbescheid mit der Berufung angefochten werden könne. Der Senat hat die Klägerin mit Schreiben vom 8. März 2017 darauf hingewiesen, dass die Berufung unzulässig sei, weil weder der Beschwerdewert von Euro 750,-- (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG) erreicht, noch das SG die Berufung zugelassen habe. Weil die Rechtsmittelbelehrung des SG fehlerhaft sei, könne ein Antrag nach § 105 Abs. 2 Satz 2 SGG auf mündliche Verhandlung oder eine Nichtzulassungsbeschwerde gestellt werden. Mit Schriftsatz vom 14. März 2017 hat die Klägerin einen Antrag auf mündliche Verhandlung beim SG gestellt und ferner mitgeteilt, dass das Verfahren beim Senat nicht weiter verfolgt werde.

Die Klägerin führt aus, dass das von ihr gegen den Gerichtsbescheid des SG Hannover erhobene Rechtsmittel “Berufung„ allein durch die falsche Rechtsmittelbelehrung veranlasst worden sei. Ihr dafür aufzuerlegen, sei nicht gerechtfertigt.

Die Klägerin beantragt,

die notwendigen außergerichtlichen Kosten nach § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Staatskasse aufzuerlegen.

II. Eine Kostenerstattung nach § 193 SGG findet nicht statt. Nach § 193 Abs. 1 SGG hat das Gericht im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben; es entscheidet auf Antrag durch Beschluss, wenn das Verfahren anders beendet wird. Wird der Rechtsstreit anders als durch Urteil beendet, so entscheidet das Gericht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen; dabei sind insbesondere auch die Erfolgsaussichten der Klage zu berücksichtigen, aber auch die Gründe für die Klageerhebung und die Erledigung zu prüfen. Zu entscheiden ist lediglich über eine Erstattung der dem Antragsteller entstandenen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens, weil die Aufwendungen der Antragsgegnerin nicht erstattungsfähig sind (§ 193 Abs. 4 SGG). Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Beteiligten bei Beendigung des Rechtsstreits einander Kosten zu erstatten haben, ist nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Erledigung nach sachgemäßem Ermessen zu treffen, wobei den mutmaßlichen Erfolgsaussichten Bedeutung zukommt. Allerdings können auch die Gründe für den Anlass der Klageerhebung bzw. des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens im Sinne des Veranlassungsprinzips zu berücksichtigen sein (BSG, Beschluss vom 16. Mai 2007 - Az.: B 7b AS 40/06 R).

Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte kommt eine Kostenerstattung zu Lasten der Staatskasse nicht in Betracht, denn Kostenschuldner im Sinne des § 193 sind ausschließlich die Beteiligten eines Rechtsstreits im Sinne des § 69 SGG, also Kläger, Beklagte und ggf. ein Beigeladener (B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 12. Auflage 2017, § 193 Rn. 11). § 193 SGG betrifft damit nur das Verhältnis der Beteiligten untereinander, nicht das Verhältnis zur Staatskasse (B. Schmidt a.a.O.). Eine Vorschrift, der Staatskasse die außergerichtlichen Kosten eines Beteiligten bei einer vom SG fehlerhaft verwendeten Rechtsmittelbelehrung aufzuerlegen, wie dies die Klägerbevollmächtigte begehrt, gibt es im SGG nicht. Im Übrigen kann selbst bei unzutreffender Rechtsmittelbelehrung von einem Anwalt erwartet werden, selber beurteilen zu können, ob die Berufungssumme erreicht wird (so Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Juli 2017 - Az.: L 9 AS 1068/17 - Rn. 26, 28 - zitiert nach juris).

Der Beschluss ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

Dokument-Index H...

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