Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Eigenheimzulage. zweckbestimmte Einnahme. Verwendungsnachweis
Leitsatz (amtlich)
Die Eigenheimzulage bezweckt nach dem Gesetz zur Neuregelung der steuerrechtlichen Wohneigentumsförderung eine verstärkte Förderung der sogenannten Schwellenhaushalte und dabei vorrangig der Familien mit Kindern. Sie ist damit als zweckbestimmt im Sinne des § 11 Abs 3 Nr 1 SGB 2 und somit grundsätzlich als privilegiertes Einkommen anzusehen, soweit sie zur Herstellung oder Anschaffung des selbstgenutzten Wohneigentums eingesetzt wird. Die Zweckrichtung würde verfehlt, wenn der Empfänger die Leistung als Einkommen zur Bestreitung des Lebensunterhalts verwenden müsste und dadurch gehindert wäre, sie ihrer eigentlichen Zweckbestimmung zufließen zu lassen.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin gewährte der Antragstellerin mit Bescheid vom 21. Dezember 2004 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 1. Januar bis zum 31. Mai 2005 in Höhe von 809,15 € monatlich. Die Zahlung wurde ab 1. März 2005 vorläufig eingestellt, weil die Antragstellerin am 15. März 2005 eine Eigenheimzulage in Höhe von 2.556,46 € erhielt, welche nach Auffassung der Antragsgegnerin als Einkommen zu berücksichtigen sei und Hilfebedürftigkeit ausschließe. Mit Bescheid vom 16. März 2005 hob die Antragsgegnerin die Leistungsbewilligung wegen der erhaltenen Eigenheimzulage vom 1. März bis zum 24. April 2005 auf. Hiergegen legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 4. April 2005 Widerspruch ein.
Bereits am 1. März 2005 hatte die Antragstellerin beim Sozialgericht (SG) Oldenburg beantragt, die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verurteilen, ihr Grundsicherungsleistungen in Höhe von monatlich 809,15 € weiterhin auszuzahlen. Sie habe im Jahre 1999 mit öffentlichen Krediten ein behindertengerechtes Eigenheim gebaut. Die zu beanspruchende Eigenheimzulage habe sie unwiderruflich zur Tilgung an die Niedersächsische Landestreuhandstelle für das Wohnungswesen (LTS) abgetreten. Dieser Betrag werde nur formal vom Finanzamt auf ihr Konto überwiesen, weil sie den Betrag unverzüglich an die LTS weiterleite.
Demgegenüber hat die Antragsgegnerin darauf hingewiesen, dass es sich bei der Eigenheimzulage um eine verwertbare Einnahme handele, weil sie als Sonderzahlung zur Tilgung von Kreditverbindlichkeiten verwendet werde. Bei Teilung der Gesamteinnahmen durch den täglichen Gesamtbedarf ergebe sich für 55 Tage kein Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), die Antragstellerin könne vom 1. März bis zum 10. Mai 2005 den Lebensunterhalt durch die Eigenheimzulage bestreiten.
Das SG Oldenburg hat durch Beschluss vom 8. März 2005 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. In den Gründen hat es ausgeführt, dass ein Anordnungsanspruch für die begehrte Eilentscheidung fehle. Die Antragsgegnerin sei gemäß § 40 Abs 1 Nr 2 SGB II zur vorläufigen Zahlungseinstellung berechtigt gewesen. Die Antragstellerin beabsichtige, mit der Eigenheimzulage das Darlehen bei der LTS zu tilgen und auf diese Weise Vermögen zu bilden. Leistungen nach dem SGB II dürften jedoch nicht zur Vermögensbildung dienen.
Die Antragstellerin hat gegen den Beschluss am 9. März 2005 Beschwerde eingelegt. Sie begehrt weiterhin Grundsicherungsleistungen in Höhe von monatlich 809,15 €, hilfsweise abzüglich 1/12 der Eigenheimzulage. Sie trägt vor, die Eigenheimzulage stehe ihr unter dem rechtlichen Aspekt der “nicht bereiten Mittel" nicht zur Verfügung, weil diese unverzüglich an den Darlehensgeber weitergeleitet werde. Jedenfalls dürfte monatlich nur 1/12 der Eigenheimzulage als Einkommen vom Bedarf abgezogen werden, wie das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) früher zu § 76 Bundessozialhilfegesetz (BSGH) entschieden habe.
Die Antragsgegnerin verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet und führt zur Aufhebung des sozialgerichtlichen Beschlusses.
Das Begehren der Antragstellerin ist verfahrensrechtlich nicht als Regelungsverfügung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG zu behandeln. Nach der vorläufigen Zahlungseinstellung hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 16. März 2005 die Leistungsbewilligung aufgehoben. Gegen diesen Bescheid richtet sich der Widerspruch der Antragstellerin vom 4. April 2005, der jedoch gemäß § 39 Nr 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung hat. Ihr Ziel kann die Antragstellerin nunmehr über § 86b Abs 1 Nr 2 SGG erreichen. Wird die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Aufhebungsbescheid vom 16. März 2005 angeordnet, sind die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den streitigen Zeitraum auf der Basis des ursprünglichen Bewilligungsbescheids vom 21. Dezember 2004 fortzuzahlen. Die vorläufige Zahlun...