Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Hilfe zur angemessenen Schulbildung. Besuch einer anthroposophischen Privatschule
Leitsatz (amtlich)
1. Der Wunsch eines behinderten Kindes bzw dessen Eltern, weiterhin entsprechend der bisherigen Erziehung eine Schule mit anthroposophischer Ausrichtung zu besuchen, ist allein nicht geeignet, eine Einstandspflicht des Sozialhilfeträgers für ein dort zu zahlendes Schulgeld herbeizuführen.
2. Besteht kein Anspruch auf Eingliederungshilfeleistungen, kann auch aus § 9 Abs 2 SGB 12 oder § 9 Abs 1 SGB 9 (Wunschrecht des Leistungsberechtigten) kein Anspruch hergeleitet werden.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stade vom 22. Januar 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die 1996 geborene Antragstellerin begehrt die Übernahme der für ihre Beschulung an der D. in Bremen anfallenden Kosten im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens, längstens bis zum Ende des Schuljahres 2009/2010. Über einen entsprechenden Antrag ist, soweit ersichtlich, bisher nicht entschieden worden. Das SG hat den dort am 13. Januar 2010 gestellten Antrag mit Beschluss vom 22. Januar 2010 mit der Begründung abgelehnt, es läge kein Anordnungsanspruch vor. Es könne offen bleiben, ob die für die Bewilligung von Eingliederungshilfeleistungen erforderliche Behinderung der Antragstellerin glaubhaft gemacht worden ist, jedenfalls komme eine Übernahme von Schulkosten aus Eingliederungshilfemitteln hier nicht in Betracht. Die Vermittlung einer Schulausbildung sei in erster Linie Aufgabe der staatlichen Schulverwaltung. Die Übernahme von Schulkosten sei nur dann geboten, wenn dem Leistungsberechtigten das Erreichen einer angemessenen Schulbildung anders nicht möglich sei. Die Übernahme von Kosten für den Besuch einer Privatschule aus Mitteln der Eingliederungshilfe komme auch nur dann in Betracht, wenn im Rahmen des allgemeinen staatlichen Schulsystems eine angemessene Schulbildung ansonsten nicht zu erlangen sei.
Die gegen den Beschluss vom 22. Januar 2010 eingelegte zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt. Unter Berücksichtigung der vom Senat geteilten grundsätzlichen Erwägungen des SG kommt die begehrte Kostenübernahme nicht in Betracht. Der Senat hat mit Beschluss vom 5. März (Ablehnung des PKH-Antrages zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens) ergänzend zu den Entscheidungsgründen des SG, auf die verwiesen wird (§ 142 Abs 2 Satz 3 SGG), und im Hinblick auf die Ausführungen im Beschwerdeverfahren den Sachverhalt zusammengefasst und die sich daraus ergebenden rechtlichen Folgerungen wie folgt dargestellt:
"Bei der Antragstellerin, die unter Betreuung eines Amtsvormundes steht und bei Pflegeeltern aufwächst, liegt, ohne dass dies bisher durch ein ärztliches Gutachten ausdrücklich festgestellt worden ist, vermutlich eine erhebliche Intelligenzminderung vor, die sich in einer extremen Verlangsamung des kognitiven Aufnehmens von Lerninhalten und einer allgemeinen Entwicklungsverzögerung von 1 1/2 bis 2 Jahren auswirkt. Die Landesschulbehörde Niedersachsen hat mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 25. August 2009 festgestellt, dass ein sonderpädagogischer Förderbedarf mit dem Förderschwerpunkt im Bereich des Lernens vorliegt, sowie eine Verpflichtung ausgesprochen, mit sofortiger Wirkung eine Förderschule Schwerpunkt Lernen zu besuchen. Bis zum Ende des Schuljahres 2008/2009 hatte die Antragstellerin bis zur 6. Klasse die private Waldorfschule E. besucht; sie wurde von frühester Kindheit an anthroposophisch erzogen. Das Schulgeld für die private Waldorfschule E. in Höhe von 170,00 € monatlich war vom Jugendamt übernommen worden. Nach einer einwöchigen Hospitation am Ende des Schuljahres 2008/2009 an der D., einer staatlich genehmigten Sonderschule mit besonderer pädagogischer Prägung nach Rudolf Steiner, unterzeichneten die Pflegeeltern der Antragstellerin am 4. September 2009 einen Schulvertrag mit der D.; nach Ziffer 6 des Vertrages ist ein monatliches Schulgeld von 168,00 € zu entrichten. Die Zahlungen sind von den Pflegeeltern der Antragstellerin wohl zum Februar 2010 eingestellt worden, weil (so die Ausführungen im Beschwerdeverfahren) ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht mehr ausreicht und sie sich nicht in der Unterhaltspflicht sehen. Einen Staatszuschuss erhält die D. für den Besuch durch die Antragstellerin weder vom Land Bremen (die Antragstellerin wohnt in Niedersachsen) noch vom Land Niedersachsen (entsprechende Ausgleichszahlungen setzen nach der "Vereinbarung über Ausgleichszahlungen für den Besuch von Privatschulen in Bremen durch Schülerinnen und Schüler aus Niedersachsen" vom 1. März 1996 eine schwere Mehrfachbehinderung voraus, die im Falle der Antragstellerin nicht gegeben ist). Die Antragstellerin besucht die D. seit dem...