Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistung. örtliche Zuständigkeit nach Abschluss des Asylverfahrens. Aufenthalt außerhalb des Bereichs einer räumlichen Beschränkung der Wohnsitznahme. fehlende Geburt des gemeinsamen Kindes
Leitsatz (amtlich)
1. Nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens und Erteilung einer ausländerrechtlichen Duldung ist die asylverfahrensrechtliche Zuweisungsentscheidung gegenstandslos geworden, so dass die örtliche Zuständigkeit sich nicht mehr nach § 10a Abs 1 S 1 AsylbLG richtet, sondern gem § 10a Abs 1 S 2 AsylbLG nach dem tatsächlichen Aufenthaltsort.
2. Nach § 11 Abs 2 AsylbLG ist in der Regel nur diejenige Hilfe zu leisten, die dem Leistungsberechtigten ermöglicht, so schnell wie möglich an den rechtmäßigen Aufenthaltsort zurückzukehren. Dazu gehören primär die notwendigen Reisekosten sowie dringend erforderliche Verpflegungskosten. Nur wenn Gründe vorliegen, die einen Verbleib am Ort des tatsächlichen Aufenthalts zwingend erfordern oder eine Rückkehr in das Gebiet der räumlichen Beschränkung unzumutbar erscheinen lassen, kann die unabweisbar gebotene Hilfe auch weitergehende Leistungen umfassen, die bis zu den regulären Leistungen reichen können.
Orientierungssatz
Auf Art 6 GG und Art 8 MRK kann sich ein Hilfebedürftiger nicht berufen, wenn das erwartete gemeinsame Kind mit seiner deutschen Lebensgefährtin noch nicht geboren ist.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bremen vom 11. März 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zur verpflichten, ihm vorläufig Leistungen gemäß § 2 Abs 1 AsylbLG, hilfsweise gemäß § 3 AsylbLG inklusive Krankenversicherungsschutz zu gewähren.
Der 1976 in Algerien geborene und im Jahre 2001 nach Deutschland eingereiste Antragsteller wird hier nach erfolglosem Asylverfahren ausländerrechtlich (§ 55 AuslG bzw nunmehr § 60a AufenthG) geduldet. Sein Aufenthalt ist auf Niedersachsen beschränkt. Unter "Nebenbestimmungen" enthält die Duldung unter anderem die Regelungen: "Vorübergehender Aufenthalt in der Stadt Bremen ist erlaubt." und "Der Wohnsitz ist in der Gemeinde Schwanewede, Landkreis Osterholz, zu nehmen".
Der Antragsteller wohnt jedoch nicht in Schwanewede, sondern bei seiner Lebensgefährtin, Frau D., in Bremen. Frau D. ist deutsche Staatsangehörige und erwartet ein Kind von dem Antragsteller (voraussichtlicher Geburtstermin im Juli 2011).
Nachdem deutlich geworden war, dass der Antragsgegner ihm ohne Wohnsitznahme in Schwanewede keine Leistungen nach dem AsylbLG (vom Antragsteller formell beantragt am 10. Februar 2011) gewähren würde, hat der Antragsteller am 13. Januar 2011 bei dem Sozialgericht (SG) Stade den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem eingangs genannten Inhalt beantragt. Das SG Stade hat den Rechtsstreit an das örtlich zuständige SG Bremen verwiesen. Das SG Bremen hat die Stadtgemeinde Bremen beigeladen und den einstweiligen Rechtsschutzantrag des Antragstellers mit Beschluss vom 11. März 2011 abgelehnt. Der Antragsteller habe weder gegen den Antragsgegner noch gegen die Beigeladene einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach § 2 oder hilfsweise § 3 AsylbLG. Der Antragsgegner sei gegenwärtig nicht örtlich zuständig. Nach Abschluss des Asylverfahrens und Erteilung der ausländerrechtlichen Duldung richte sich die örtliche Zuständigkeit nicht weiterhin nach § 10a Abs 1 Satz 1 AsylbLG, sondern nach dem tatsächlichen Aufenthaltsort. Der Antragsteller halte sich aber nach eigenen Angaben derzeit nicht im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners auf, sondern in Bremen. Die Beigeladene sei zwar als diejenige Behörde, in deren Bereich sich der Antragsteller gegenwärtig tatsächlich aufhalte, gemäß § 10a Abs 1 Satz 2 AsylbLG örtlich zuständig. Jedoch sei ihre Leistungspflicht gemäß § 11 Abs 2 AsylbLG beschränkt auf die nach den Umständen unabweisbar gebotene Hilfe, weil sich der Antragsteller in Bremen unter Verstoß gegen seine Wohnsitzauflage und damit unerlaubt aufhalte. Die unabweisbar gebotene Hilfe umfasse nicht die von dem Antragsteller begehrten Leistungen nach § 2 oder hilfsweise § 3 AsylbLG. Sie würden sich hier auf Rückreisekosten in den Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners unter Einschluss dringender Verpflegungskosten für die Reise beschränken.
Dagegen hat der Antragsteller am 14. März 2011 Beschwerde eingelegt. Sein gegenwärtiger tatsächlicher Aufenthalt in Bremen stelle nach seine Auffassung kein "unerlaubtes Wohnen" dar. Wegen der bevorstehenden Geburt seines Kindes mit deutscher Staatsangehörigkeit sei ihm zur Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft unter Beachtung von Artikel 6 GG und Artikel 8 EMRK eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Er habe bei dem Verwaltungsgericht Bremen auch ein Verfahren zur Erteilung einer "Zweitduldung" durch die Beigeladene anhängig gemacht. Bis dahin sei ihm zumindest ein Krankenversicherungsschutz zu gewähren. W...