Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf für allein Erziehende. Unterstützungsleistungen Dritter
Leitsatz (amtlich)
Leben Enkelkind, Mutter und Großmutter gemeinsam in einem Haushalt, kann die Mutter in der Regel nicht den Mehrbedarfszuschlag für Alleinerziehende nach § 21 Abs 3 SGB 2 beanspruchen (entgegen OVG Lüneburg vom 22.7.1988 - 4 B 227/88 = FEVS 38, 209).
Orientierungssatz
1. Für die Frage, ob der Arbeitsuchende allein erziehend iS von § 21 Abs 3 SGB 2 ist, kommt es nicht darauf an, ob jemand allein die Erziehungsverantwortung im rechtlichen Sinne hat, sondern darauf, ob jemand bei allen im Zusammenhang mit der Betreuung und Erziehung eines Kindes anfallenden Tätigkeiten nicht auf die Hilfe anderer zurückgreifen kann. Was den zeitlichen Umfang der Betreuung und Pflege des Kindes durch eine dritte Person anbelangt, welche den Ansatz eines Mehrbedarfs ausschließt, dürfen die Anforderungen nicht überspannt werden. Denn es ist zu berücksichtigen, dass auch bei Ehegatten, die gemeinsam mit ihren Kindern in einem Haushalt leben, häufig nicht der einzelne Elternteil rund um die Uhr, sondern in der Regel nur zeitweise zur Pflege und Erziehung eines Kindes zur Verfügung steht.
2. Bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen des § 21 Abs 3 SGB 2 ist auf die tatsächliche Verhältnisse abzustellen, die wesentlich davon ausgeprägt sind, ob die betreffenden Personen gemeinsam in einem Haushalt leben, wie die Wohn- und Wirtschaftsverhältnisse ausgestaltet sind, und wie sich die Tagesabläufe der handelnden Personen gestalten.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 16. Januar 2007, berichtigt durch Beschluss vom 2. Februar 2007 aufgehoben.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Antragstellerinnen wird zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten darum, ob der Antragstellerin zu 1. wegen der Betreuung der Antragstellerin zu 2. ein Mehrbedarfszuschlag als Alleinerziehende zu gewähren ist und für sie Kosten der Unterkunft zu übernehmen sind.
Die Antragstellerin zu 1. wurde im Juni 1986 geboren und ist ledig. Sie lebt seit 1989 zusammen in einem Haushalt mit ihrer Mutter, die im Januar 1950 geboren wurde und als selbstständige Psychologin berufstätig ist. Die Ehe der Eltern der Antragstellerin zu 1. wurde geschieden; ihr Vater zahlte ihr bis einschließlich Juli 2006 Barunterhalt. Die Antragstellerin zu 1. hat nach der Schule bis zum Ende Juli 2006 die Berufsfachschule Kinderpflege in Vollzeitunterricht bei den G. bis zur Klasse 2 besucht. Im August 2006 wurde die Tochter der Antragstellerin zu 1. - die Antragstellerin zu 2. - geboren. Soweit ersichtlich, ist deren Vater nicht in der Lage, ihr Unterhaltsleistungen zu erbringen. Die Antragstellerin zu 1. erhält für die Antragstellerin zu 2. Kindergeld und Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz.
Auf ihren Antrag bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin zu 1. mit Bescheiden vom 12. September/9. November 2005 laufende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II -. Da die Antragstellerin zu 1. im Antrag angegeben hatte, sie habe “freies Wohnrecht„ bei ihrer Mutter, wurden in diesen Bescheiden auf der Bedarfsseite keine Kosten der Unterkunft berücksichtigt. Dagegen hat die Antragstellerin zu 1. Widerspruch mit der Begründung eingelegt, sie habe mit ihrer Mutter mündlich einen Untermietvertrag abgeschlossen. Später legte sie einen schriftlichen Untermietvertrag unter dem 1. März 2005 vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. November 2005 wurde der Widerspruch von der Antragsgegnerin als unbegründet zurückgewiesen. Ob dieser bestandskräftig wurde, ist nicht bekannt.
Mit Antrag vom 2. Mai 2006 begehrte die Antragstellerin zu 1. die Weitergewährung von Grundsicherungsleistungen ab dem 13. April 2006. Soweit ersichtlich, hatte sie in der Zeit zuvor im Jahre 2006 von Unterhaltsleistungen ihres Vaters und eigener Erwerbstätigkeit gelebt. Mit Bewilligungsbescheid vom 26. Juli 2006 hat die Antragsgegnerin für den Zeitraum vom 13. April bis zum 31. Oktober 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bewilligt. Kosten für Unterkunft und Heizung legte sie dabei auf der Bedarfsseite nicht zugrunde. Dagegen hat die Antragstellerin zu 1. am 21. August 2006 Widerspruch eingelegt, über den - soweit ersichtlich - bislang noch nicht entschieden worden ist. Bereits zuvor hat die Antragstellerin zu 1. beim Sozialgericht (SG) Oldenburg einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit dem Ziel angebracht, dass bei den Leistungen der Antragsgegnerin auch Kosten der Unterkunft Berücksichtigung finden müssten. Mit Beschluss vom 5. September 2006 hat das SG Oldenburg den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt (Aktenzeichen: S 49 AS 902/06 ER). Die dagegen von der Antragstellerin zu 1. eingelegte Beschwerde wurde mit Beschluss des 7. Senats des erkennenden Gericht...