Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewährung von Krankengeld durch einstweiligen Rechtsschutz

 

Orientierungssatz

1. Das SGB 5 enthält in den Vorschriften der §§ 44 Abs. 1 S. 1 und 46 Abs. 1 Nr. 2 die abschließenden Voraussetzungen für die Zahlung von Krankengeld. Danach ist Voraussetzung für den Anspruch auf Krankengeld, dass medizinisch Arbeitsunfähigkeit besteht und der Versicherte diese Arbeitsunfähigkeit durch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des behandelnden Arztes nachweist.

2. Es gibt keine Rechtsgrundlage dafür, dass der Versicherte ohne Rücksicht auf die Umstände des Einzelfalles bei einer über 14 Tage hinausgehenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verpflichtet wäre, spätestens am 14. Tag den behandelnden Arzt aufzusuchen und sich eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen zu lassen.

3. Eine etwaige insoweit bestehende Verwaltungsrichtlinie einer Krankenkasse entfaltet mangels einer bestehenden Ermächtigungsgrundlage keinerlei Außenwirkung.

4. Ist im einstweiligen Rechtsschutz der für den Krankengeldanspruch erforderliche Anordnungsanspruch ausreichend glaubhaft gemacht, so sind an den Anordnungsgrund umso geringere Anforderungen zu stellen, je sicherer das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und damit ein Erfolg im Hauptsacheverfahren ist.

5. In einem solchen Fall ist hinsichtlich des Anordnungsgrundes der Verweis des Versicherten auf die Inanspruchnahme von subsidiären Sozialleistungen nach dem SGB 2 und dem SGB 12 unzulässig.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 11. Juni 2010 wird aufgehoben.

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Antragstellerin ab dem 17. Mai 2010 bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens, längstens jedoch für drei Monate, Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen, solange die Leistungsvoraussetzungen vorliegen.

Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin deren notwendige außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragstellerin über den 22. April 2010 hinaus Anspruch auf die Zahlung von Krankengeld hat.

Die Antragstellerin bezog seit September 2009 Leistungen der Bundesagentur für Arbeit. Nachdem sie sich den Mittelfußknochen gebrochen hatte, war sie ab dem 04. Januar 2010 arbeitsunfähig. Die Antragsgegnerin zahlte der Antragstellerin auf ihren Antrag ab dem 15. Februar 2010 Krankengeld bis einschließlich 22. April 2010.

Die von den behandelnden Ärzten der Antragstellerin ausgefüllten Bescheinigungen für die Krankengeldzahlung umfassten in aller Regel Zeiträume von jeweils 14 Tagen, die Bescheinigung vom 11. Januar 2010  (Bl.  40 der Verwaltungsakten) galt für 22 Tage.

Nachdem die Antragsgegnerin die Zahlung von Krankengeld mit Bescheinigung vom 25. Februar 2010 bewilligt hatte, bat sie zur weiteren Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit den behandelnden Arzt der Antragstellerin, Herrn Dr. G., mit Schreiben vom 25. Februar 2010 um Übersendung eines CT-Berichtes an den Medizinischen Dienst der Krankenkasse (MDK). Dieser Bericht wurde am 31. März 2010 übersandt. Am 01. April 2010 gab die Gutachterin des MDK, Dr. Elke H. folgende Stellungnahme ab:

“WVL mit MRT-Bef., AUF solange med. begründet.

Wieso Reha-Antrag ausgehändigt? Hier liegt ø Indikation vor!„

Die Antragsgegnerin wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 19. April 2010 an Dr. Haase und bat um Übersendung des MRT-Berichts.

Dr. Haase stellte dann eine weitere Bescheinigung für die Krankengeldzahlung aus. Danach habe sich die Antragstellerin am 08. April 2010 zuletzt vorgestellt. Nächster Praxisbesuch sei am 30. April 2010, nach einem Termin im Nordstadt-Krankenhaus, anschließend erfolge eine Besprechung aller Ergebnisse und Planung des weiteren Procedere. Auf Bl. 68 der Verwaltungsakten findet sich dann eine weitere Bescheinigung für Krankengeldzahlung für die Zeit vom 30. April 2010 mit dem Hinweis, dass ein Ende der Arbeitsunfähigkeit noch nicht absehbar sei, sie könne noch zwei Monate dauern und ein nächster Praxis-Besuch solle am 28. Mai 2010 erfolgen.

Ob der MRT-Befund dem MDK vorgelegt worden ist, wie von der Gutachterin Dr. H. am 01. April 2010 angefordert, lässt sich der Akte nicht entnehmen.

Mit Bescheid vom 08. August 2008 beendete die Antragsgegnerin den Krankengeldanspruch der Antragstellerin am 22. April 2010. Zur Begründung führte sie aus, die Antragstellerin sei darauf hingewiesen worden, dass sie sich grundsätzlich spätestens am 14. Tag nach der letzten Feststellung der Arbeitsunfähigkeit, hier also am 22. April 2010, zwecks Feststellung weiterer Arbeitsunfähigkeit beim behandelnden Arzt vorzustellen habe. Dies habe sie nicht getan. Damit liege ein weiterer Krankengeldanspruch nicht mehr vor. Ein erneuter Krankengeldanspruch bestehe daher erst ab dem 01. Mai 2010. Einen Anspruch auf die Zahlung von  Krankengeldzahlung habe sie allerdings nicht mehr, weil zu diesem Zeitpunkt keine eigenständige Mitgliedschaft mehr bestanden habe, sondern die Antragstellerin über die Familienversicherung des Ehemannes versichert sei.

Am 17. Mai 2...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?