Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. Beschwerdewert. Nichtvorliegen eines Anordnungsgrundes. Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Nichtvorliegen einer Vermieterkündigung oder Räumungsklage. Besonderheiten beim Verwandtenmietverhältnis. Einsatz von Schonvermögen bzw Einkommen in Höhe eingeräumter Freibeträge
Leitsatz (amtlich)
1. Es ist überlegenswert, den Beschwerdewert in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach dem SGB 2 aufgrund des vorübergehenden Charakters des Eilverfahrens stets auf maximal sechs Monate zu begrenzen.
2. Das Vorliegen eines Anordnungsgrundes in Verfahren der Grundsicherung, in denen im Eilrechtsschutz die Gewährung von Kosten der Unterkunft und Heizung begehrt wird, ist stets eine Einzelfallentscheidung und einer Verallgemeinerung etwa in der Weise, ein solcher Anordnungsgrund sei stets erst mit der Kündigung oder mit der Erhebung der Räumungsklage des Vermieters anzunehmen, nicht zugänglich. Für Verwandtenmietverhältnisse gelten Besonderheiten.
3. Die Möglichkeit des Einsatzes leistungsrechtlich geschützter Einkommensanteile und frei verfügbarer leistungsrechtlich geschützter Vermögenspositionen steht der Annahme eines Anordnungsgrundes regelmäßig entgegen.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
1. Es ist bereits fraglich, ob die am 30. Juni 2015 eingelegte Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Oldenburg vom 25. Juni 2015 zulässig ist, §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Erforderlich für die Zulässigkeit der Beschwerde ist, dass die mit ihr nach § 172 SGG geltend gemachte Beschwer der Antragsteller den Schwellenwert für eine zulassungsfreie Berufung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG - dieser Wert beträgt 750 € - erreicht, wie sich aus § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ergibt. Die Antragsteller begehren mit ihrer Beschwerde, dem Bewilligungsbescheid des Antragsgegners vom 15. April 2015 folgend, zwar Leistungen vom Zeitpunkt des Eingangs der Antragsschrift beim SG am 22. Mai 2015 bis einschließlich 30. April 2016 und überschreiten damit, bei einer monatlichen Differenz i. H. v. 71,33 € in Gegenüberstellung des von ihnen begehrten Zahlbetrages gegenüber den vom Antragsgegner gewährten Leistungen, in einer Betrachtung des gesamten Zeitraums den Beschwerdewert. Gleichwohl ist überle- genswert, ob gemäß der Eigenart eines gerichtlichen Eilverfahrens - als stets allein dem Zweck der einstweiligen Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses dienendes Verfahren und dementsprechend stets vorübergehender Natur - anzunehmen ist, dass der Regelungsgegenstand im Hinblick auf laufende Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in dieser Verfahrensart stets auf einen Zeitraum von maximal sechs Monaten in die Zukunft begrenzt anzunehmen ist (vgl. auch Binder in Lüdtke (Hrsg.), SGG, 4. Aufl. 2012, § 86b Rn. 37, 54). Die Bestimmung auch kürzerer Zeiträume eines Verpflichtungsausspruchs steht dabei jeweils im Ermessen des Gerichts (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 86 b, Rn. 35b).
Der Senat lässt diese Frage im Ergebnis dahinstehen, denn die Beschwerde erweist sich jedenfalls als unbegründet.
2. Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Voraussetzungen hat das SG Oldenburg zu Recht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Hinsichtlich der Darstellung des Sachverhalts nimmt der Senat zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des SG Oldenburg in seinem angefochtenen Beschluss Bezug.
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Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis gem. § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist stets, dass sowohl ein Anordnungsanspruch (d. h. der durch die Anordnung zu sichernde, in der Sache gegebene und im Hauptsacheverfahren geltend gemachte materielle Leistungsanspruch) als auch ein Anordnungsgrund (d. h. die Seite 3/8 Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, vgl. Keller, in: Meyer- Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 86 b, Rn. 27 f.; m. a. W. der Grund, weshalb die Anordnung so dringlich ist, dass dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache gesichert werden muss) glaubhaft gemacht werden (vgl. § 86 b Abs. 2 S. 4 SGG i. V. mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung -ZPO-). Ein Anordnungsanspruch ist dabei glaubhaft gemacht, wenn das Gericht aufgrund einer vorläufigen, summarischen Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass dem Antragsteller ein Rechtsanspruch auf die begehrte Leistung zusteht und deshalb der Antragsteller in einem Hauptsacheverfahren mit dem gleichen Begehren voraussichtlich Erfolg haben würde. Ein Anordnungsgrund ist glaubhaft gemacht, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, da... |