Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Kosten für Unterkunft und Heizung. drohende Vermieterkündigung aufgrund eines Zahlungsrückstands. Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrunds bei Verwandtenmietverhältnissen
Leitsatz (amtlich)
Die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes als Grundlage einer einstweiligen Anordnung bedarf bei Mietverhältnissen zwischen Verwandten regelmäßig besonderer Prüfung und ist nur ausnahmsweise anzunehmen.
Orientierungssatz
Das bestehende Risiko einer vermieterseitigen Kündigung des Mietverhältnisses aufgrund von Zahlungsrückständen kann Anlass zum Erlass einer einstweiligen Anordnung geben. Dabei muss die Kündigung nicht schon in der Weise unmittelbar bevorstehen, dass der Vermieter aufgrund der Rückstände bereits über ein Kündigungsrecht verfügt (vgl LSG Celle-Bremen vom 27.7.2015 - L 13 AS 205/15 B ER und vom 28.1.2015 - L 11 AS 261/14 B = NdsRpfl 2015, 183).
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der Antragsteller wendet sich mit der Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Oldenburg vom 6. September 2016, mit welchem das SG es abgelehnt hat, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig weitergehende Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Form der Bewilligung von Kosten für Unterkunft unter Berücksichtigung eines mit seinem Vater geschlossenen, zunächst auf den 1. Dezember 2007 datierten und nunmehr unter dem 1. April 2016 geänderten Mietvertrages zu gewähren. Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt, denn der Antragsteller hat bereits keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer solchen Regelungsanordnung setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und dass die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Sowohl der Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist es dem Antragsteller nicht gelungen, das Vorliegen eines Anordnungsgrundes für die begehrten Leistungen i. S. von § 86b Abs. 2 S. 2 SGG glaubhaft zu machen. Insoweit hat er lediglich vorgebracht, er benutze die Wohnräume und insoweit entstünden für den Vermieter Kosten; im Übrigen seien die Kosten der Unterkunft in der beantragten Höhe bisher anerkannt worden. Warum sich aus diesen Umständen ein Eilbedürfnis ergeben soll, ist nicht ersichtlich. Auch mit den entsprechenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss des SG Oldenburg unter Hinweis auf die Senatsrechtsprechung hat sich der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht auseinandergesetzt. Vor diesem Hintergrund ist die Frage, ob ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht ist - was auch der Senat für zweifelhaft hält - für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorliegend ohne entscheidende Bedeutung.
Der Senat vertritt weiterhin die folgende ausdifferenzierte Auffassung zum Bestehen eines Anordnungsgrundes in Bezug auf Kosten der Unterkunft in mittlerweile ständiger Rechtsprechung (vgl. Senatsbeschluss vom 14. August 2015 - L 13 AS 236/15 B ER - kürzlich bestätigt durch Senatsbeschluss vom 14. September 2016 - L 13 AS 235/16 B ER -):
Ein bestehendes Risiko einer vermieterseitigen Kündigung des Mietverhältnisses aufgrund von Zahlungsrückständen kann durchaus Anlass zum Erlass einer einstweiligen Anordnung geben. Diese Kündigung muss zudem keineswegs bereits in der Weise unmittelbar bevorstehen, dass der Vermieter aufgrund der Rückstände bereits über ein Kündigungsrecht verfügt. In Eilverfahren, die laufende Leistungen für Unterkunft betreffen, dürfen keine überhöhten Anforderungen an den Anordnungsgrund gestellt werden (Senatsbeschluss vom 27. Juli 2015 - L 13 AS 205/15 B ER; so auch 11. Senat des erkennenden Gerichts, Beschluss vom 28. Januar 2015 - L 11 AS 261/14 B - juris Rn. 13).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927 - juris Rn. 23 ff., m. w. N.; vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 -; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. Februar 2010 - 1 BvR 20/10 -) verlangt die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes die vorläufige Befriedigung von Leistungsansprüchen im Rahmen eines Eilverfahrens dann, wenn ohne diese dem Betroffenen eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in se...