Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz gegen Abzweigungsbescheid zum Arbeitslosengeld
Orientierungssatz
1. Die Abzweigung eines Teilbetrages vom Arbeitslosengeld stellt keine Herabsetzung der Leistung dar, sondern eine Regelung der Auszahlungsmodalität. Deshalb hat der Leistungsträger die Befugnis, gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG die sofortige Vollziehung im überwiegenden Interesse eines Beteiligten in der Person des Unterhaltsgläubigers anzuordnen.
2. Damit hat eine Anfechtungsklage gegen den Abzweigungsbescheid bereits aufschiebende Wirkung. Vollzieht die Arbeitsagentur die Abzweigung trotz Widerspruch und Anfechtungsklage, so ist einstweiliger Rechtsschutz mit dem Ziel der Feststellung der aufschiebenden Wirkung zulässig und geboten.
Tenor
Die Beschlüsse des Sozialgerichts Braunschweig vom 28. Juli 2008 werden aufgehoben:
1. Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage S 9 AL 154/08 vor dem Sozialgericht Braunschweig wird festgestellt.
2. Die Antragsgegnerin hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers beider Instanzen zu tragen.
3. Dem Antragsteller wird für das erstinstanzliche Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung in Höhe von 153,00 € (Höhe der vertraglichen Selbstbeteiligung bei der Rechtsschutzversicherung) unter Beiordnung von Rechtsanwalt F., G., bewilligt.
4. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren in Höhe von 153,00 € (Höhe der vertraglichen Selbstbeteiligung bei der Rechtsschutzversicherung) unter Beiordnung von Rechtsanwalt F., G., bewilligt.
Gründe
I.
Der Antragsteller bezieht seit dem 14. Januar 2008 Arbeitslosengeld (Alg) von der Antragsgegnerin aufgrund eines Anspruchs für 360 Tage in Höhe von 34,80 € kalendertäglich. Aufgrund eines entsprechenden Ersuchens des Landkreises G. vom 18. April 2008 (Bl 17 Verwaltungsakte - VA -) zweigte die Antragsgegnerin mit Bescheid gegenüber dem Antragsteller vom 15. Mai 2008 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 12. Juni 2008 und des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2008 einen Betrag von 5,60 € täglich an den Landkreis G. ab, da dieser Unterhaltsvorschussleistungen an den ehelichen Sohn des Antragstellers H. I., geboren am J., in Höhe von monatlich 168,00 € leiste. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens trug der Antragsteller vor, dass ein Unterhaltstitel nicht vorläge und dass er nicht leistungsfähig sei. Dieses habe er sowohl gegenüber dem Landkreis G. als auch gegenüber der Kindesmutter ausführlich dargestellt.
Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Antragsteller am 3. Juli 2008 sowohl Klage als auch einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vor dem Sozialgericht (SG) Braunschweig erhoben.
Mit Beschluss vom 28. Juli 2008 hat das SG Braunschweig den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurückgewiesen, da im Rahmen der Entscheidung nach § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 bzw. Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Interessen der Antragsgegnerin an der Vollziehung der erlassenen Bescheide mit dem Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung bzw. Aufhebung der Vollziehung abgewogen werden müssen. Der angefochtene Bescheid stelle sich voraussichtlich als nicht rechtswidrig dar, da die Antragsgegnerin unter Berücksichtigung der Voraussetzungen des § 48 Erstes Sozialgesetzbuch (SGB I) die Abzweigung vorgenommen habe. Der notwendige Eigenbedarf sei berücksichtigt worden und der Eintritt von Hilfebedürftigkeit durch die Abzweigung sei nicht nachgewiesen worden. Soweit der Antragsteller auf ehebedingte Schulden hinweise, fehle es hierzu an einer Glaubhaftmachung.
Ebenfalls mit Beschluss vom 28. Juli 2008 hat das SG Braunschweig den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) zurückgewiesen. Gegen die Beschlüsse hat der Antragsteller am 8. August 2008 Beschwerde eingelegt. Mit der Beschwerdeschrift hat der Antragsteller umfangreiche Unterlagen hinsichtlich seiner laufenden Aufwendungen für Versicherungen und auch für ehebedingte Schulden eingereicht, woraufhin die Antragsgegnerin den täglichen Abzweigungsbetrag mit Schriftsatz vom 22.09.08 auf 1,38 € reduziert hat. Zum Zeitpunkt des Abzweigungsersuchens, habe sie allerdings richtig gehandelt und entschieden.
Der Antragsteller begehrt PKH für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren insoweit, als er keine Kostendeckungszusage von seiner Rechtsschutzversicherung, nämlich in Höhe der vertraglich vereinbarten Selbstbeteiligung in Höhe von 153,00 € erhalten hat.
II.
Die Beschwerden sind gemäß § 172 Abs 1 SGG zulässig. Ausschlussgründe gemäß § 172 Abs 3 SGG liegen nicht vor. Die Beschwerden sind auch begründet.
1. Das SG Braunschweig hat zu Unrecht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage war festzustellen. Der Antragsteller hat sein Antragsbegehren im Rahmen des am 3. Juli 2008 gestellten Antrages auf einstweiligen Rechtschutzes wie folgt formuliert: “Die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Kläger den vol...