Nachgehend

BSG (Beschluss vom 07.12.2023; Aktenzeichen B 9 SB 7/23 BH)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 80 statt bislang 70 sowie des Merkzeichens RF.

Der 1961 geborene Kläger erlitt im Alter von 19 Jahren einen schweren Motorradunfall, nachdem er gemäß einem Sachverständigengutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. G. vom 27. November 1989 zuvor eine unproblematische Kindheit durchlebt und kurz zuvor das Abitur abgelegt hatte. Ein nachfolgend aufgenommenes Physikstudium betrieb der Kläger mehrere Jahre, schloss es aber nicht ab. Er hatte zu dieser Zeit auch eine mehrjährige Beziehung zu einer Freundin, die ihn nach seinen Angaben nach vier Jahren verließ. Anschließend studierte er ab 1987 Geologie, brach aber auch diesen Studiengang ab. Er hatte nach der Anamnese jenes Gutachtens in den vorausgegangenen acht Jahren vor 1989 zweimal für kurze Zeit Freundinnen. Geblieben sei jedoch eigentlich nur noch ein guter Bekannter. Er plane viel, bastele viel, lese viel Zeitschriften und interessiere sich eigentlich für alle Naturwissenschaften.

Letztlich wurde bei dem Kläger seinerzeit gemäß Bescheid des Beklagten vom 24. Juli 1992 aufgrund eines hirnorganischen Psychosyndroms nach Verkehrsunfall und einer Nervenläsion der rechten Hand die Schwerbehinderteneigenschaft mit einem GdB von 60 festgestellt. Aufgrund eines chronisch-rezidivierenden psychischen Prozesses wurde gemäß Bescheid des Beklagten vom 13. Juni 2007 der GdB des Klägers mit Wirkung ab dem 12. Juli 1996 auf 70 angehoben. Ein im Jahr 2012 gestellter Neufeststellungsantrag, gerichtet u. a. auf Feststellung des Merkzeichens RF, blieb erfolglos.

Am 28. Februar 2017 stellte der Kläger den Neufeststellungsantrag, der den Ausgangspunkt des hier anhängigen Rechtsstreits darstellt. Der Beklagte führte medizinische Ermittlungen durch und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 5. April 2017 ab. Der Kläger legte Widerspruch ein. Er berief sich unter Vorlage von ärztlichen Attesten u. a. auf eine Stuhlinkontinenz, eine Reizdarmproblematik sowie eine erektile Dysfunktion. Sein Gang sei hinkend, die Beugung der linken Hüfte schmerzhaft und es bestehe ein Beckenschiefstand links von 1,5 cm. Der Ärztliche Dienst des Beklagten wies darauf hin, die geltend gemachten Beschwerden seien nicht endgültig diagnostisch abgeklärt und auch nicht hinreichend therapiert worden. Nach Durchführung weiterer medizinischer Ermittlungen, u. a. der Einholung eines Berichts des Orthopäden Prof. Dr. H. vom 9. Oktober 2017, wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 10. November 2017 zurück.

Der Kläger hat am 14. Dezember 2017 Klage erhoben. Er hat seine Verschlechterungen des Gesundheitszustandes nicht ausreichend gewürdigt gesehen und zudem darauf hingewiesen, in Kürze stünden weitere ärztliche Begutachtungen an.

Das Sozialgericht (SG) Aurich hat mehrere ärztliche Befundberichte eingeholt. Unter anderem hat die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. I. unter dem 16. Juni 2018 berichtet. Sie hat eine akzentuierte Persönlichkeitsentwicklung mit Anhalt für eine Autismus-Spektrum-Störung bei posttraumatischer Persönlichkeitsveränderung diagnostiziert. Vorausgegangen ist die Diagnose eines Asperger-Syndroms bei dem Sohn des Klägers. Zu seiner Lebenssituation hat der Kläger vorgetragen, er sei Hausmann, seine Ehefrau arbeite. Er habe zwei Töchter im Alter von 20 und 18 Jahren aus einer früheren Verbindung und jetzt zwei Söhne im Alter von sechs Jahren und einem Jahr, ein weiteres Kind werde im August oder September 2018 erwartet. Er habe Probleme mit Autoritäten und sei bereits zu Schulzeiten ein Sonderling gewesen, habe aber keine sozialen Probleme gehabt. Nach dem Abitur sei er mit dem Motorrad verunglückt. Er lebe sehr zurückgezogen und meide größere Menschenansammlungen, auch benötige er kein Sozialleben, nur der Kinder zuliebe.

Wegen der weiteren Angaben wird auf den Inhalt des Berichts der Ärztin Dr. I. verwiesen. In der Beurteilung hat sie ausgeführt, einen biographischen Bruch stelle der Motorradunfall zu Beginn des Studiums dar, was zu einer erheblichen Leistungseinbuße geführt habe. Die Fremdanamnese der Ehefrau zähle eine Vielfalt von Persönlichkeitszügen auf, die sowohl autistisch eingeordnet werden könnten als auch posttraumatisch bzw. als neuropsychologische Folgen einer möglichen schweren Schädel-Hirn-Verletzung. Sowohl die Emotionalität bei der Exploration als auch unkonkrete ausweichende Antworten und Ablenkungen vom Thema entsprächen nicht der Struktur einer autistischen Persönlichkeit. Zusammenfassend bestehe aber nach ihrem Eindruck eine Persönlichkeitsentwicklung mit schwergradigen Defiziten der Beziehungs- und Leistungsfähigkeit mit autistischen Zügen. Empfohlen werde noch eine differenzierte Testung. Der Kläger hat in einer Stellungnahme darauf hingewiesen, er habe s...

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