Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz gegen die Herabsetzung von Grundsicherungsleistungen

 

Orientierungssatz

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen einen ergangenen Bescheid ist anzuordnen, wenn nach der im vorläufigen Rechtsschutz durchzuführenden summarischen Prüfung ernste Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Antragsgegners bestehen.

2. Lässt der Verfügungssatz eines Absenkungsbescheides nach § 31 SGB 2 nicht die tatsächliche Höhe der Absenkung der bewilligten Leistung erkennen, so genügt er nicht den Anforderungen, die an die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes zu stellen sind. Der Hilfebedürftige muss dem Bescheid entnehmen können, um welchen genauen Betrag die ihm gewährte Leistung gekürzt wird und welcher Betrag ihm dann für den Sanktionszeitraum zur Verfügung steht.

3. Eine Heilung gemäß § 41 SGB 10 kommt bei unbestimmten Verwaltungsakten nicht in Betracht, da kein Formfehler, sondern ein materieller Fehler vorliegt.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Hildesheim vom 22. November 2007 wird geändert.

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 10. Oktober 2007 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 28. Juni 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2007 wird angeordnet.

Im Übrigen wird die Beschwerde (im Hinblick auf die geltend gemachte Zinsforderung) zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.

Dem Antragsteller wird zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt C., D., bewilligt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutzes gegen die Absenkung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum vom 1. August 2007 bis 31. Oktober 2007.

Der Antragsteller lebt zusammen mit seiner Ehefrau E. und drei minderjährigen Kindern. Durch Bescheid vom 6. Juni 2007 bewilligte der Antragsgegner der Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 441,03 € für die Zeit vom 1. Mai 2007 bis 30. Juni 2007 und in Höhe von insgesamt 446,03 € für die Zeit vom 1. Juli 2007 bis 31. Oktober 2007. Nachdem der Antragsteller die Bewerbung/Vorstellung hinsichtlich des Vermittlungsvorschlages des Antragsgegners vom 22. Juni 2007 bei der City Taxen und Kurierdienst GbR abgelehnt hatte (vgl Bl 139, 140 VA), senkte der Antragsgegner durch Bescheid vom 28. Juni 2007 das Arbeitslosengeld (Alg) II gemäß § 31 SGB II für die Zeit vom 1. August 2007 bis 31. Oktober 2007 um 30 vH der Regelleistung maximal in Höhe von 94,00 € ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2007 zurück.

Dagegen hat der Antragsteller am 10. Oktober 2007 Klage erhoben.

Das Sozialgericht (SG) Hildesheim hat mit Beschluss vom 22. November 2007, auf den Bezug genommen wird, den am 1. November 2007 gestellten Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt, der rechtzeitig eingelegten Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) zur Entscheidung vorgelegt.

Da der Antragsteller strafrechtlich auffällig geworden sei, könne er einen Taxischein (gemeint ist ein Personenbeförderungsschein) nicht erhalten, weshalb eine Tätigkeit bei der Firma City Taxen nicht in Betracht komme. Da die Familie am Rande des Existenzminimums lebe, sei ein Anordnungsgrund gegeben.

Der Antragsteller beantragt,

1. den Beschluss des SG Hildesheim vom 22. November 2007 aufzuheben,

2. den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm 282,00 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 1. September 2007 auf 94,00 €, seit dem 1. Oktober 2007 auf weitere 94,00 € und seit dem 1. November 2007 auf weitere 94,00 € zu zahlen,

3. ihm Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Antragsgegners verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

II.

Die nach §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde ist zum ganz überwiegenden Teil begründet.

Vorläufiger Rechtsschutz ist vorliegend, nicht, wie das SG angenommen hat, nach § 86 b Abs 2 SGG, sondern nach § 86 b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG statthaft. Denn der Antragsteller wendet sich gegen die Entziehung bzw Herabsetzung bereits bewilligter Leistungen nach dem SGB II für die Monate August bis Oktober 2007. Ausgehend von der Tatsache, dass der Antragsgegner dem Antragsteller (und der übrigen Bedarfsgemeinschaft) mit Bescheid vom 6. Juni 2007 vom 1. Mai 2007 bis 31. Oktober 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bewilligt hat, ist das Begehren des Antragstellers insoweit als Antrag nach § 86 b Abs...

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