Entscheidungsstichwort (Thema)

Auferlegung der Kosten nach § 109 SGG auf die Staatskasse mit der Beschwerde anfechtbar. Kostentragung nach Klagerücknahme

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Beschluss des Sozialgerichts, mit dem die Kosten einer Begutachtung nach § 109 SGG der Staatskasse auferlegt werden, ist für den Vertreter der Staatskasse mit der Beschwerde anfechtbar.

2. Die Kostenübernahme nach § 109 SGG ist kein Instrument zur Steuerung klägerischen Verhaltens. Hat das Gutachten keine wesentlichen neuen Gesichtspunkte erbracht, führt auch die daraufhin erklärte Klagerücknahme nicht zu einer für den Kläger positiven Kostenentscheidung nach § 109 SGG.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Hildesheim vom 21.Februar2005 wird aufgehoben.

Der Kläger trägt die Kosten des von dem Sachverständigen Dr. F. (G.) gemäß §109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstatteten Gutachtens endgültig.

 

Gründe

I. Das dem Beschwerdeverfahren zugrunde liegende Klageverfahren betraf den Anspruch des Klägers auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19. März 2003 hatte das Sozialgericht (SG) Hildesheim den Arzt für Chirurgie und Orthopädie Prof. Dr. H. als Sachverständigen gehört, der den Kläger vor der Sitzung untersucht hatte. In der Gesamtschau ergab sich, so Prof. Dr. H., orthopädisch-chirurgisch unverändert ein Grad der Behinderung (GdB) von 40, wie ihn die Versorgungsverwaltung im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren angenommen hatte. Das SG vertagte den Rechtsstreit und holte von dem Facharzt für HNO-Heilkunde Dr. I. von Amts wegen das Gutachten vom 9. August 2003 ein. Die von ihm festgestellte gering- bis mittelgradige Schwerhörigkeit bewertete der Gutachter mit einem GdB von 10.

Im weiteren Verlauf des Klageverfahrens holte das SG von Amts wegen das weitere orthopädische Gutachten des Dr. J. vom 12. Juli 2004 ein. Den Gesamt-GdB stufte Dr. J. mit 40 ein.

Auf die Anfrage des SG an den Bevollmächtigten des Klägers, ob die Klage in Kenntnis des Gutachtenergebnisses noch fortgeführt werde und auf den gerichtlichen Hinweis auf § 109 SGG beantragte der Kläger Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG von dem Facharzt für Chirurgie Dr. F., das dieser nach Einzahlung eines Kostenvorschusses unter dem 21. Dezember 2004 erstattete. Dr. F. erklärte, mit den Vorgutachtern Prof. Dr. H. und Dr. J. in der Bewertung des Gesamt-GdB mit 40 überein zu stimmen.

Mit Schriftsatz vom 11. Februar 2005 nahm der Kläger daraufhin die Klage zurück mit dem gleichzeitigen Antrag, die Kosten des nach § 109 SGG von Dr. F. eingeholten Gutachtens auf die Staatskasse zu übernehmen. Das Gutachten habe wesentlich zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts beigetragen. Zwar sei der Sachverständige letztlich nicht zu einem den Klageanspruch tragenden Ergebnis gekommen. Gleichwohl sei es ihm hierdurch leichter gefallen, die Klage zurückzunehmen.

Mit Beschluss vom 21. Februar 2005 hat das SG die durch die Anhörung des Dr. F. entstandenen Kosten sowie die baren Auslagen und den Zeitverlust des Klägers als Gerichtskosten auf die Staatskasse übernommen. Das Gutachten habe zur weitergehenden Klärung des medizinischen Sachverhalts und schließlich zur endgültigen Erledigung des Rechtsstreits geführt und sei daher für das Verfahren erforderlich und fördernd gewesen.

Gegen diesen Beschluss hat die Bezirksrevisorin bei dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen am 11. März 2005 Beschwerde eingelegt. Der hier nach § 109 SGG beauftrage Gutachter habe im Ergebnis mit den Vorgutachtern überein gestimmt. Das Gutachten habe keine neuen entscheidungserheblichen Befunde erbracht und im Ergebnis auch nicht zum Klageerfolg geführt. Deshalb habe der Kläger die Kosten endgültig selbst zu tragen. Im Übrigen hält die Bezirksrevisorin die Landeskasse für beschwerdeberechtigt und stützt sich hierfür u.a. auf Beschlüsse des LSG Baden-Württemberg.

Die Bezirksrevisorin beantragt,

den Beschluss des SG Hildesheim vom 21. Februar 2005 aufzuheben und den Antrag des Klägers auf Übernahme der Kosten des nach § 109 SGG erstatteten Gutachtens des Dr. F. auf die Staatskasse abzulehnen.

Der Kläger beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er weist darauf hin, dass der den Gutachtenauftrag nach § 109 SGG zugrunde liegende Beweisbeschluss gegenüber der Vorbegutachtung durch Dr. J. eine ergänzende Frage enthalten habe, nämlich welche und inwiefern die Gesundheitsstörungen die Belastungsfähigkeit des Klägers im allgemeinen Erwerbsleben einschränkten. Letztendlich habe das Gutachten von Dr. F. zur weitergehenden Klärung des medizinischen Sachverhalts beigetragen, was schließlich zur Klagerücknahme geführt habe.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem LSG zur Entscheidung vorgelegt. Im Nichtabhilfebeschluss heißt es: Das Gutachten des Dr. F. habe den medizinischen Sachverhalt aus Sicht des Gerichts weiter aufgeklärt und auf eine weitere Grundlage gestellt, so dass das Gericht in der mündlichen Verhandlung die gegen das von Amts wegen eingeho...

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