Entscheidungsstichwort (Thema)

Rehabilitationszuständigkeitsklärung. gesetzliche Rentenversicherung. gesetzliche Krankenversicherung. Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung. akuter Behandlungsbedarf. sozialgerichtliches Verfahren. Befangenheitsgesuch

 

Leitsatz (amtlich)

Eine die Rehabilitationszuständigkeit des Trägers der Rentenversicherung gemäß § 13 Abs 2 Nr 2 SGB 6 ausschließende Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung ist anzunehmen, wenn die besonderen Mittel eines Krankenhauses insbesondere auch iS von § 107 Abs 1 Nr 3 SGB 5 erforderlich sind, um eine Krankheit zu erkennen, sie zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern, weil nur auf diese Weise ein notwendiger komplexer Behandlungssatz Erfolg versprechend verwirklicht werden kann.

 

Orientierungssatz

1. Eine Vorentscheidung vermag für sich genommen die Besorgnis der Befangenheit nicht zu rechtfertigen. Dies bedingt zugleich, dass ein darauf gestütztes Ablehnungsgesuch als unzulässig angesehen werden kann.

2. Zum Begriff des akuten Behandlungsbedarfes iS von § 13 Abs 2 Nr 1 SGB 6.

 

Tenor

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bremen vom 24. März 2012 wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen, soweit die Klägerin die Erstattung von 24.608,52 € für die von ihr geltend gemachten Kosten für die Behandlung der Versicherten I. J. begehrt.

Die Klägerin trägt 2/3 der erstinstanzlichen Kosten und die Kosten des Berufungsverfahrens in voller Höhe; die Beklagte trägt 1/3 der erstinstanzlichen Kosten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der beklagte Rentenversicherungsträger wendet sich mit seiner Berufung gegen die erstinstanzlich ausgesprochene Verurteilung, der klagenden Krankenkasse die von ihr geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von 24.608,52 € für eine im Zeitraum 18. Februar bis 9. Juni 2009 durchgeführte stationäre Behandlung der am 10. März 1969 geborenen Versicherten I. J. zu erstatten.

Die Versicherte leidet seit dem 15. Lebensjahr an einer Anorexie. Diese geht seit etwa dem 17./18. Lebensjahr mit einer Bulimie einher (vgl. insbesondere den Entlassungsbericht der K. -Klinik vom 6. Juli 2009). Die Versicherte ist Mutter von drei in den Jahren 2000, 2004, und 2008 geborenen Kindern.

Aufgrund der Katabolie und des katabolen Eisenmangels war die Immunfunktion der Versicherten immer schwerer beeinträchtigt. Im zweiten Halbjahr 2008 kam es wiederholt im Zuge von Infekten zur Notwendigkeit stationärer Behandlungen (vgl. Entlassungsbrief der L. -Klinik vom 11. Februar 2009). Am 12. Januar 2009 wurde die Versicherte erneut zur stationären Behandlung in die Internistische Abteilung der Paracelsus-Klinik Y. aufgenommen, da sie nach mehrtägigem Erbrechen mit Übelkeit und Schluckbeschwerden bei Mandelschwellung nicht mehr essen und trinken konnte und eine starke körperliche Schwäche aufwies. Ihr Gewicht betrug bei der Aufnahme lediglich 31,4 kg (bei einer Körpergröße von 153 cm [nach anderen Messungen: 152 cm]). Die Klägerin fieberte; während der stationären Behandlung kam es zunächst noch zu einem weiteren Anstieg der Temperatur. Erst gegen Schluss der bis zum 6. Februar 2009 fortgesetzten stationären internistischen Behandlung konnte erreicht werden, dass die Versicherte über einige Tage hinweg fieberfrei blieb. Bei der Entlassung soll ihr Körpergewicht 34,6 kg betragen haben (wobei jedoch bei der Aufnahme in der K. -Klinik rund zwei Wochen später das Gewicht nur noch 30,90 kg betrug).

Am 6. Februar 2009 wandte sich die L. -Klinik an die Beklagte mit der Bitte, eine mit Beginn am 16. Februar 2009 vorgesehene “psychosomatische„ Anschlussheilbehandlung der Versicherten aufgrund der Diagnosen einer schweren Anorexie und einer Bulimie zu genehmigen. In der “Reha-Klinik K. -Klinik„ in M. sei ab dem 16. Februar 2009 eine Reservierung vorgenommen worden. Erforderlich sei insbesondere eine intensive Psychotherapie.

Die N. K. -Klinik ist nach eigenen - aktuellen - Angaben zum einen eine Fach- und Rehabilitationsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie für Kinder, Jugendliche und Erwachsene (Frauen und Männer) sowie zum anderen Krankenhaus für Akutpsychosomatik mit dem Schwerpunkt für Essstörungen; dabei weist die Klinik selbst ausdrücklich auf eine “enge Kooperation zwischen den Kliniken und Fachabteilungen„ hin (http://www.seepark-klinik.de/Home/Themen/Ueber-uns/Kurzportraet.aspx). Zum 01.01.2014 wurde die Klinik mit 60 vollstationären Betten und 6 teilstationären Behandlungsplätzen im Krankenhausplan des Landes Niedersachen aufgenommen. Mit den Krankenkassen wurde ein Vertrag nach § 109 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) geschlossen (http://www.seepark-klinik.de/Home/Themen/Medizin/Akutpsychosomatik-Schwerpunkt-Essstoerungen/uebersicht.aspx).

Die N. K. -Klinik wird zusammen mit weiteren derzeit 51 medizinischen Einrichtungen (Krankenhäuser [Akut-Bereich], Rehakliniken, Pflegeheime und Medizinische Versorgungszentren) von der börsennotierten N. AG betrieben.

Der beratende Arzt der Beklagten setzte sich am 1...

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