Entscheidungsstichwort (Thema)
Überbrückungsgeld bei Lösung des Beschäftigungsverhältnisses zum Zweck der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit
Orientierungssatz
Parallelentscheidung zum Urteil des LSG Celle-Bremen vom 1.10.2009 - L 12 AL 4/07, das vollständig dokumentiert ist.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 20.7.2006 und der Bescheid der Beklagten vom 31.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2005 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Überbrückungsgeld für die ab 1.10.2005 aufgenommene selbständige Tätigkeit in gesetzlicher Höhe ab dem 24.12.2005 bis zum 31.3.2006 zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Zahlung von Überbrückungsgeld für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als Facharzt.
Der 1964 geborene Kläger war seit 1994 als angestellter Arzt beschäftigt und ist Facharzt für Psychiatrie (seit 2000) und Neurologie (seit 2004). Das letzte, seit 2000 bestehende Beschäftigungsverhältnis mit einem Krankenhaus in I. beendete er am 18.8.2005 durch Aufhebungsvertrag zum 30.9.2005, nachdem er bereits am 6.7.2005 zwecks Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit vertraglich die Übernahme einer Arztpraxis vereinbart hatte.
Mit einem am 30.9.2005 bei der Beklagten eingegangenen Formular beantragte der Kläger, der sich deswegen zuvor schon bei der Beklagten hatte beraten lassen, Überbrückungsgeld zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ab 1.10.2005 und legte als Stellungnahme der fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung eine Stellungnahme seines Steuerberaters J. vom 27.9.2005 mit einer Kurzbeschreibung des Existenzgründungsvorhabens und einer Umsatz- und Rentabilitätsvorschau vor, wonach der Gewinn bis zum 31.3.2006 mit 0,00 €, für das gesamte Jahr 2006 jedoch mit 51.500,00 € angegeben wurde. Einen ebenfalls gestellten Antrag auf Arbeitslosengeld ab 1.10.2005 lehnte die Beklagte mit - bestandskräftig gewordenem - Bescheid vom 13.10.2005 ab, da der Kläger wegen der Ausübung der selbständigen Tätigkeit nicht arbeitslos sei.
Mit Bescheid vom 31.10.2005 lehnte die Beklagte den Antrag auf Überbrückungsgeld ab. Die gesetzliche Voraussetzung der Beendigung oder Vermeidung der Arbeitslosigkeit durch die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit sei nicht gegeben. Vermeidung von Arbeitslosigkeit liege nur vor, wenn die Fortdauer eines Beschäftigungsverhältnisses aus Gründen, die der Arbeitnehmer nicht zu vertreten habe, gefährdet sei und der Arbeitnehmer das Risiko der Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit abmildere. Eine eigenständige Kündigung zum Zweck der Gründung einer selbständigen Existenz führe dagegen das Risiko der Arbeitslosigkeit erst herbei. Den dagegen eingelegten, nicht weiter begründeten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.11.2005 zurück. Es sei hier davon auszugehen, dass der Kläger durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages sein Arbeitsverhältnis zum 30.9.2005 selbst gelöst habe. Damit habe er das Risiko der Arbeitslosigkeit selbst herbeigeführt. Die im Gesetz geforderte Beendigung oder Vermeidung von Arbeitslosigkeit liege damit nicht vor.
Am 16.12.2005 hat der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Oldenburg Klage erhoben und geltend gemacht, er habe einen gesetzlichen Anspruch auf die Gewährung von Überbrückungsgeld. Wenn die Beklagte sich auf zwischenzeitlich geänderte interne Weisungen berufe, berühre das den gesetzlichen Anspruch nicht. Er habe durch die im Anschluss an den Aufhebungsvertrag nahtlos aufgenommene selbständige Tätigkeit seine Arbeitslosigkeit im Sinne des § 57 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) "vermieden". Durch Einfügung dieser Variante in das Gesetz habe klargestellt werden sollen, dass eine vorherige Arbeitslosigkeit nicht Voraussetzung für den Bezug von Überbrückungsgeld sei. Im Übrigen genieße er in jedem Fall Vertrauensschutz, da er "bei Antragstellung im Mai 2005" dahingehend beraten worden sei, dass Überbrückungsgeld auch dann zu gewähren sei, wenn das vorangegangene sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis aufgrund von Eigenkündigung oder Aufhebungsvertrag beendet worden sei. Entsprechend habe er sein Verhalten und seine Finanzplanung ausgerichtet. Maßgeblich sei insoweit der Zeitpunkt der Erstberatung am 24.5.2005. Auf dieser Grundlage habe er am 6.7.2005 den Praxisübernahmevertrag abgeschlossen. Über die im Juni geänderte Weisungslage der Beklagten sei er erst am 21.7.2005 informiert worden.
Die Beklagte hat sich auf die Gründe ihrer ablehnenden Entscheidung bezogen und eingeräumt, dass ihre Auffassung auf im Juni 2005 geänderten Durchführungsanweisungen beruhe. Auch eine Zusicherung im Sinne von § 34 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), dem Kläger Überbrückungsgeld zu bewilligen, sei nicht abgegeben worden.
Mit Urteil vom 20.7.2006 ha...