Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. freiwillige Versicherung. Prüfung von Beitragsnachforderungsbescheiden. ausschließliche Maßgeblichkeit der Einkommensteuerbescheide auch bei Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Aufhebung. frühere Beitragsbescheide

 

Orientierungssatz

1. Beitragsnachforderungsbescheide sind sowohl auf die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der früheren Bescheide als auch auf die Rechtmäßigkeit der neu festgesetzten Beitragshöhe zu prüfen.

2. Die Maßgeblichkeit ausschließlich der Einkommensteuerbescheide für die Beitragsbemessung hauptberuflich selbstständig Erwerbstätiger treffen uneingeschränkt auch auf die Beitragsbemessung bei Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zu, und zwar unabhängig davon, ob es sich um hauptberuflich selbstständige Erwerbstätigkeit handelt oder nicht.

3. Zur Rechtmäßigkeit der Aufhebung früherer Beitragsbescheide bei Vorliegen von grober Fahrlässigkeit seitens des Versicherten.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 30.10.2013; Aktenzeichen B 12 KR 21/11 R)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wehrt sich gegen die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen durch die Beklagte für die Zeit vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Oktober/30. November 2002 in einer Höhe von ca. 12.000,-- Euro. Grund der geltend gemachten Nachforderung sind Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung, gegenüber denen die Klägerin Werbungskosten geltend machen will.

Die im Mai 1935 geborene Klägerin ist verheiratet mit Herrn I. (Zeuge), der im streitbefangenen Zeitraum einen selbständigen Gewerbebetrieb (Bauunternehmen) betrieb.

Im Jahre 1974 hatte der Ehemann ein Hausgrundstück auf seine Ehefrau (die Klägerin) übertragen, das bislang als landwirtschaftliches Grundstück bzw. zu Wohnzwecken genutzt worden war (notarieller Vertrag vom 31. Januar 1974). Nach unbestrittenem Vortrag der Klägerin wurden in den Folgejahren zahlreiche Investitionen getätigt, um das Hausgrundstück zu Wohnzwecken umzugestalten und zu vermieten; zudem wurden in der Folgezeit Reparaturen/Renovierungen getätigt, die der Erhaltung der Mietobjekte dienten. Aus der Vermietung resultierten Mieteinnahmen in Höhe von mehreren 10.000 DM/Jahr. Zum Zwecke der Finanzierung der Investitionen/Renovierungen sei - ebenso unbestritten - ein Darlehensvertrag abgeschlossen worden, den auf Seiten der Darlehensnehmer die Klägerin und ihr Ehemann unterzeichneten, Darlehensgeber war die Deutsche Genossenschafts-Hypothekenbank AG (Darlehenssumme: 350.000,-- DM) (Darlehensvertrag vom 13. Januar 1998).

Seit 1. Januar 1996 bezieht die Klägerin Altersrente für Schwerbehinderte, Berufs- und Erwerbsunfähige (Bewilligungsbescheid vom 6. November 1996, 1. Rentenzahlung ab Dezember 1996, Nachzahlung rückwirkend ab Januar).

Im Verhältnis zur Beklagten war die Klägerin zuletzt langjährig freiwillig versichertes Mitglied, auch über den Rentenbeginn hinaus, da eine Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) an der fehlenden ausreichenden Vorversicherungszeit scheiterte.

Am 16. Dezember 1996 gab die Klägerin gegenüber der Beklagten die Einkommenserklärung zur Festsetzung der Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung ab. In dem zu Grunde liegenden Vordruck, den die Klägerin unterschrieben hatte, waren die Renteneinkünfte angegeben und die Spalte “Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung„ gestrichen.

Im Beitragsbescheid vom selben Tag (16. Dezember 1996), auf dem als “Gesprächspartner„ Herr J. (Zeuge) angegeben war, wurden die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung festgesetzt und dabei Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht berücksichtigt. Nach den allgemeinen Hinweisen galt die Beitragseinstufung längstens bis zur Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die Beitragshöhe betrug ca. 200,-- DM/Monat.

In den folgenden ca. sechs Jahren (1997 bis 2002) wurden die Beitragsfestsetzungen jeweils erneut ohne Berücksichtigung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung vorgenommen. Die entsprechenden Beitragsbescheide befinden sich nicht in der Akte. In den zu Grunde liegenden Einkommenserklärungen der Klägerin waren jeweils erneut die Einkünfte aus Rentenbezug, nicht aber Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung angegeben. Die entsprechende Spalte in den Vordrucken war gestrichen (Bl. 13, 15, 16, 27, 55 d. VA).

Im Jahre 2002 kam es zu einer Überprüfung der Beitragsbemessung durch die Beklagte.

Auf Anforderung legte die Klägerin die Einkommensteuerbescheide aus den Jahren 1996 ff. sowie Aufstellungen über getätigte Aufwendungen für die Mietobjekte vor. Nach den Einkommensteuerbescheiden bezog die Ehefrau Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von bis zu 50.000,-- DM/Jahr, der Ehemann Einkünfte aus Gewerbebetrieb in geringer Höhe, z.B. 1996: 965,-- DM/Jahr.

Die Beklagte erließ zwei Bescheide vom 4. Oktober 2002. In einem ersten Bescheid setzte sie die Beitragshöhe zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversic...

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