Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen eines Behandlungsanspruchs des Versicherten gegenüber dem Unfallversicherungsträger wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls

 

Orientierungssatz

1. Der Unfallversicherungsträger hat nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB 7 mit allen geeigneten Mitteln den durch den Versicherungsfall i. S. des § 7 SGB 7 verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen und zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern.

2. Eine Leistungspflicht des Unfallversicherungsträgers ist ausgeschlossen, wenn die geltend gemachten Gesundheitsstörungen ursächlich auf einen anerkannten Arbeitsunfall zurückzuführen sind.

3. Dies ist u. a. dann der Fall, wenn eine Fehlstellung des Gebisses des Versicherten nicht unfallbedingt ist. Die erforderliche Kausalität ist u. a. dann zu verneinen, wenn ein geltend gemachter Kreuzbiss bei vorliegender Bissproblematik erstmals 27 Jahre nach dem angeschuldigten Unfallereignis aufgetreten ist.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 4. Mai 2020 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Anspruch auf Erstattung der von ihm aufgewandten Kosten für die Korrektur der Fehlstellung seines Gebisses hat.

Der im Jahre 1962 geborene Kläger arbeitete in der Vergangenheit als Fahrer bei der Firma H. in I., einem Mitgliedsunternehmen der Beklagten. Er erlitt am 15. April 1985 während einer Fahrt für seine Arbeitgeberin einen Autounfall (Unfallanzeige der Arbeitgeberin vom 9. August 1985). Der Kläger wurde daraufhin mit dem Rettungswagen in das J. -Krankenhaus in K. gebracht, wo der Chirurg Dr. L. für den Kläger die Diagnosen „Schädelprellung mit Commotio cerebri, Unterkieferfraktur links, Jochbeinfraktur links und rechts, Prellung rechtes Handgelenk, Prellung rechter Unterschenkel mit Schürfung“ stellte und ihn nach einer Erstversorgung in die Uni-Kieferklinik M. verlegen ließ (vgl. dessen Durchgangsarztbericht vom 15. April 1985). Dort verblieb der Kläger bis zum 29. April 1985. Laut Befundbericht des Prof. Dr. Dr. N., Direktor der Kieferklinik M., vom 21. Februar 1986, erlitt der Kläger auf kiefer-und gesichtschirurgischem Fachgebiet eine Kieferwinkelfraktur links, eine le Fort-I und II-Fraktur beidseits, eine Alveolarfortsatzfraktur regio 27,28 und eine Nasenbeinfraktur. Darüber hinaus befand sich Zahn 38 im Bruchspalt der dislozierten Unterkieferfraktur. Die Zähne 27 und 28 seien durch die Fraktur gelockert worden. Außerdem habe der Kläger eine Oberlippenplatzwunde links, 2 cm und eine 2 cm lange Platzwunde im Bereich des Nasenrückens erlitten.

Die Beklagte übernahm die unmittelbaren Heilbehandlungskosten nach dem Unfall des Klägers, ohne den Unfall des Klägers (als Arbeitsunfall) und die Unfallfolgen formal durch Verwaltungsakt festzustellen. In der Folge übernahm die Beklagte für einige Zahnbehandlungen des Klägers ganz, bzw. teilweise die Kosten.

Mit Schreiben vom 14. Juli 2015, Eingang bei der Beklagten am 28. September 2015, beantragte der Kläger unter Vorlage eines Kostenvoranschlages des Zahnarztes O. vom 10. Juli 2015 die Übernahme der Kosten für die Korrektur der unfallbedingten Fehlstellung seines Gebisses in Höhe von 1.112,61 €. Die Beklagte holte daraufhin die beratungsärztliche Stellungnahme des Zahnarztes Dr. P. vom 29. Oktober 2015 ein. Dieser führte in seiner Stellungnahme aus, dass sich die Ursache der Fehlstellung des Gebisses nicht eindeutig herleiten lasse, da der Unfall bereits 30 Jahre zurückliege und es vielfältige Möglichkeiten der Entstehung von Bisslageproblemen gebe. Da der Unfall auch nach Ansicht des behandelnden Arztes nicht als alleinige Ursache der Bisslageprobleme angesehen werden könne, empfehle er die Übernahme von 50 % der Kosten. Dabei wies er zugleich darauf hin, dass in Zusammenhang mit der Korrektur der Bisslage weitere Kosten auf die Beklagte zukommen würden. Mit Bescheid vom 17. November 2015 lehnte die Beklagte die Übernahme der vom Kläger geltend gemachten Kosten für eine Zahnbehandlung ab, da nicht nachgewiesen sei, dass die geplante Versorgung wegen der Folgen des Unfalls vom 15. April 1985 erforderlich sei.

Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch holte die Beklagte die Befundberichte der Zahnärzte Q. vom 26. Juni 2016, Dr. R. vom 29. April 2016 sowie des Dr. S. vom 27. April 2016 ein. Darüber hinaus holte sie das fachärztliche Gutachten des Mund-, Kiefer- und plastischen Gesichtschirurgen Prof. Dr. T. vom 28. Februar 2017 ein. Danach findet sich in den Unterlagen kein Hinweis, dass es durch die Unterkiefer- bzw. Mittelgesichtsfrakturen zu einer Veränderung der Bisslage gekommen ist. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers nach Einholung der beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. P. vom 28. April 2017 mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2017 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 21. Dezember 2017 beim Sozialgericht ...

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