Entscheidungsstichwort (Thema)

Beurteilung von Befunden und anderen Wahrnehmungen hinsichtlich der Rückschlüsse auf das berufliche Leistungsvermögen eines Versicherten durch einen Sachverständigen im sozialgerichtlichen Verfahren

 

Orientierungssatz

Die Frage, aus welchen Befunden und anderen Wahrnehmungen sich welche Rückschlüsse auf das berufliche Leistungsvermögen des Versicherten ziehen lassen, ist nicht von einem Zeugen, sondern von einem Sachverständigen zu beurteilen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 06.01.2016; Aktenzeichen B 13 R 303/15 B)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger eine Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Der ... 1960 geborene Kläger hatte von 1978 bis 1981 eine Ausbildung zum Kaufmann der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft absolviert und war in der Folgezeit bis zum Jahr 2005 tätig. Zuletzt war er als Gruppenleiter für Hausbewirtschaftung tätig und wurde dann bis Januar 2006 in einer Auffanggesellschaft übernommen. Im Weiteren war er für drei Monate bei einem Transportunternehmen Packer und dann von September 2007 bis Dezember 2007 als Außenstellenleiter für Wohnwirtschaft beschäftigt. Aus dem in der Verwaltungsakte der Beklagten (Bl. 93 ff.) enthaltenen Versicherungsverlauf ergibt sich, dass der Kläger in dem Zeitraum vom 18. September bis 31. Dezember 2007 ein versicherungspflichtiges Entgelt von 7.859,- € erhielt. In der Folgezeit war der Kläger nur noch geringfügig versicherungsfrei beschäftigt, z.B. als Schustergehilfe oder Produktionsmitarbeiter für Orthopädie. Die letzte Pflichtbeitragszeit ist die von der Bundesagentur für Arbeit gemeldete Zeit vom 7. Januar bis 15. Januar 2008.

Am 24. Juni 2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Diese zog daraufhin die Befundberichte vom 14. Juli 2011 des Facharztes für Allgemeinmedizin und Psychotherapie Dr. R... sowie des Facharztes für Allgemeinmedizin, Sport- und Rettungsmedizin Dr. S... vom 15. Juli 2011 bei. Weiterhin holte die Beklagte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Dr. M... D... vom 17. November 2011 ein. Dieser diagnostizierte Probleme in Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung, eine Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion, weiterhin episodisch paroxymale Ängste/Panik und schließlich Probleme in Verbindung mit Berufstätigkeit und Arbeitslosigkeit. Er sah den Kläger (entsprechende seiner Angaben auf dem Abschlussblatt des Gutachtens) noch in der Lage die Tätigkeit eines Diplom-Kaufmanns noch für drei bis unter sechs Stunden auszuüben. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel der Haltungsarten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne der Kläger sechs Stunden und mehr ausüben. In den schriftlichen Ausführungen seines Gutachtens stellte der Sachverständige auf eine Leistungsfähigkeit für drei- bis sechs Stunden für eine Tätigkeit in Wechselschicht, ohne Zeitdruck, ohne häufigen Publikumsverkehr, ohne besondere Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit, an die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit, ohne ausgeprägte psychische Belastung, ohne Übernahme von Führungsaufgaben, ohne andauernde Zwangshaltungen im Wechsel von Stehen, Sitzen und Gehen in geschlossenen und offenen Räumen ab. Er empfahl die Durchführung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in einer psychosomatisch ausgerichteten Klinik, welche die Beklagte in der Folgezeit auch anbot (Schriftsatz vom 13. Dezember 2011 -Bl. 95 VA-). Die Reha-Maßnahme wurde nicht durchgeführt.

Die Beklagte lehnte weiterhin mit Bescheid vom 13. Dezember 2011 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Der Kläger sei noch in der Lage sechs Stunden zu arbeiten. Auch eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit komme nicht in Betracht. Der Kläger könne zwar seinen bisherigen Beruf als Außenstellenleiter für Wohnungswirtschaft nicht mehr mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Allerdings sei er auf die Tätigkeit eines Verwaltungsangestellten für Bürohilfstätigkeiten, z.B. als Hilfskraft in der Registratur von Behörden nach Entgeltgruppe 2 TVöD verweisbar. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen am Tag der Antragstellung nicht mehr vorgelegen haben. Im Zeitraum vom 24. Juni 2006 bis zum 23. Juni 2011 seien nur noch 20 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt. Die Zeiten vom 1. Juli 2008 bis zum 30. Juni 2011 könnten nicht berücksichtigt werden, weil es sich dabei nicht um Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit handele. Die Voraussetzungen des § 43 Abs. 5 i.V.m § 53 SGB VI oder § 241 SGB VI lägen ebenfalls nicht vor.

Dagegen hat der Kläger am 13. Januar 2012 Widerspruch eingelegt und ausgeführt, dass der Versicherungsfall bereits im ersten Halbjahr 2008 eingetreten sei. Die Beklagte hat daraufhin ein orthop...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge