Entscheidungsstichwort (Thema)
Erziehungsgeld. Aufenthaltstitel. Flüchtling. Asylbewerber. Übergangsregelung. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Gemäß § 24 Abs 1 S 1 BErzGG finden die Regelungen des BErzGG aF für die vor 2001 geborenen Kinder weiter Anwendung mit der Folge, dass auch für den Leistungsanspruch eines Ausländers für die Zeit nach dem 1.1.2001 zu fordern ist, dass er eine Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis besessen hat. Der Umstand, dass der Gesetzgeber mit Wirkung vom 1.1.2001 Ausländern mit Abschiebeschutz nach Maßgabe des § 1 Abs 6 S 2 Nr 3 BErzGG zu den Anspruchsberechtigten zählt, erlaubt keine andere rechtliche Beurteilung.
2. Sachfremde Erwägungen bei der Statuierung der Voraussetzungen für den Leistungsbezug in § 1 BErzGG aF vermag der erkennende Senat nicht festzustellen.
3. § 1 BErzGG in der bis zum 31.12.2000 gelten Fassung ist mit Art 3 GG vereinbar. Für den Leistungsanspruch auf Erziehungsgeld durfte der Gesetzgeber ohne Verfassungsverstoß im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraumes (vgl dazu BVerfG vom 23.2.1994 - 1 BvR 1105/91) auf das Vorhandensein eines graduell gefestigten Aufenthaltsrechts in der Person der Leistungsbewerberin abstellen, wie es insbesondere bei Asylberechtigten durch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis begründet wird.
Nachgehend
Tatbestand
Der Rechtsstreit wird um die Frage geführt, ob der Beklagte für den am 30. Juli 2000 in W an der L geborenen V Erziehungsgeld (Eg) zu gewähren hat.
Die 1966 geborene Klägerin und Mutter von V ist verheiratet, verließ 1988 auf dem Luftwege Vietnam und hielt sich mit ihrem Ehemann von August 1988 bis Dezember 1990 in der CSFR auf. Im Dezember 1990 fuhren die Eheleute mit dem Bus in das Grenzgebiet zu Deutschland und überschritten die Grenze am 18. Dezember 1990 zu Fuß. Anschließend reisten sie mit dem Zug nach B weiter. Erfolglos betrieben sie in der Folgezeit die Anerkennung als Asylberechtigte. Auch die Zuerkennung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 Ausländergesetz i. d. F. des Gesetzes vom 09. Juli 1990 (BGBl. I S. 1354 - AuslG) lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) ab (Bescheid vom 12.02.1991). Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 13. Juli 1993 und Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 5. Januar 1994 wurden die Entscheidungen des Bundesamtes bestätigt. Ein Folgeantrag der Eheleute war dagegen im ersten Rechtszug teilweise erfolgreich. Durch Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 27. Dezember 1999, rechtskräftig seit 15. Februar 2000, wurde die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet festzustellen, dass in der Person beider Ehegatten die Voraussetzungen des § 51 AuslG vorlägen. Der Beklagte erteilte der Klägerin daraufhin am 1. Februar 2000 eine bis 28. Januar 2002 befristete Aufenthaltsbefugnis. Den im August 2000 gestellten Leistungsantrag lehnte er dagegen mit dem Hinweis auf das Fehlen eines ausreichenden Aufenthaltstitels ab (Bescheid vom 11.09.2000 i. d. F. des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Lüneburg vom 09.11.2000). Die dagegen erhobene Klage wurde zurückgewiesen. Das Sozialgericht (SG) Lüneburg gelangte mit dem Hinweis auf die Entscheidung des Senats vom 30. Januar 2002 zum Az: L 2 EG 2/01 zu dem Ergebnis, dass die Klägerin nicht die Voraussetzungen des § 1 Bundeserziehungsgeldgesetz i. d. F. des Gesetzes vom 24. März 1997 (BGBl. I, 594 - BErzGG a. F.) erfülle und dass der angefochtene Ablehnungsbescheid des Beklagten weder gegen die EWG-Verordnung 1408/71 (EWG-VO 1408/71) noch gegen Artikel 3 Grundgesetz (GG) verstoße. Nicht beanstandet werden könne, dass auch das BErzGG a. F. für den Inhaber des Leistungsanspruchs auf die Person des Antragstellers und nicht auf die Person des Kindes abstelle (Urteil vom 15.08.2002).
Mit der dagegen rechtzeitig eingelegten Berufung lässt die Klägerin ihr Leistungsbegehren weiterverfolgen. Sie lässt inhaltlich weiterhin eine Verletzung des Gleichheitssatzes des GG rügen und geltend machen, dass durch die Verweigerung der Hoffnung auf Eg dem ungeborenen Kind eines Konventionsflüchtlings Lebensschutz selbst dann versagt werde, wenn das ungeborene Kind und seine Eltern auf Dauer im Bundesgebiet lebten. Zudem machten die Vorschriften der §§ 218 a ff. Strafgesetzbuch (StGB) keinen Unterschied, ob die in dieser Vorschrift genannte Schwangere nach der Geburt des Kindes, das sie möglicherweise abtreiben wolle, sogenannte Lebensschutzleistungen erwarten könne oder nicht. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 28. Mai 1993 zum Aktenzeichen 2 BvF 2/90 könne die vorstehende Bestimmung des StGB nur dann toleriert werden, wenn der Gesetzgeber den Wegfall der Strafandrohung für die nur noch de jure rechtswidrige Abtreibung durch Hilfsangebote kompensiere. Das sei in den Fällen der vorliegenden Art unterblieben, ohne dass die Bestimm...