nicht rechtskräftig

 

Verfahrensgang

SG Hannover (Entscheidung vom 13.01.2000; Aktenzeichen S 18 VI 22/97)

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 13. Januar 2000 wird aufgehoben. Die Klagen werden abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft die Anerkennung eines Diabetes mellitus als Impfschaden und die Gewährung daraus folgender Versorgung.

Die am I. geborene Klägerin wurde nach Polioschutzimpfungen vom 18. September 1968 und 24. September 1968 zum dritten Mal am 30. März 1971 gegen Poliomyelitis in Hamburg geimpft. Nach den Eintragungen im Impfpass wurden die beiden ersten Impfungen mit Tri-Virelon, die dritte Impfung mit Oral-Virelon-Impfdosis durchgeführt.

Mit dem Vorbringen, unmittelbar nach der dritten Impfung sei sie in ein diabetisches Koma gefallen, beantragte die Klägerin am 17. November 1995 bei dem Versorgungsamt (VA) Hamburg Ausgleich des Impfschadens. Das VA zog verschiedene Arztbriefe von Internisten und Kinderärzten aus den Jahren 1971, 1974 und 1983 bei und lehnte nach versorgungsärztlicher Stellungnahme der Frau Dr. J. die Versorgung ab (Bescheid vom 16. Oktober 1996). Der Widerspruch, mit dem die Klägerin darauf hinwies, die Impfung sei trotz eines fieberhaften Infektes durchgeführt worden, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 1997). Gegen den am 20. Februar 1997 abgesandten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 20. März 1997 Klage erhoben.

Im Februar 1996 beantragte die Klägerin vergeblich (Bescheid vom 21. April 1998/Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 1998) beim VA Hannover Versorgung wegen eines Impfschadens. Der Widerspruch wurde als unzulässig verworfen, eine Prüfung aber vor dem Hintergrund des § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) durchgeführt. Rücknahmegründe bezüglich des Bescheides vom 21. April 1998 hätten sich nicht ergeben.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 1998 hat die Klägerin am 17. Juli 1998 Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, zum Zeitpunkt der dritten Impfung sei sie nicht fieberfrei gewesen, die Impfung hätte nicht stattfinden dürfen. Angesichts unterschiedlicher Krankheitsverläufe des Diabetes mellitus bestehe die Wahrscheinlichkeit des Zusammenhangs zwischen dieser Erkrankung und der Schutzimpfung.

Das Sozialgericht (SG) Hannover hat beide Rechtsstreite zu einheitlicher Verhandlung und Entscheidung verbunden, durch Urteil vom 13. Januar 2000 alle angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, die Diabetes mellitus Typ I-Erkrankung sei durch die Impfung vom 30. März 1971 ausgelöst worden. Es hat "die Beklagte" zu 2 verurteilt, der Klägerin Beschädigtenversorgung nach einer MdE um 50 v.H. zu gewähren. In den Entscheidungsgründen, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat es ausgeführt, die Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1, 52 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 Bundesseuchengesetz (BSeuchG) seien erfüllt. Es stehe fest, dass es zu einem Impfschaden gekommen sei. Die Klägerin sei knapp drei Monate nach der dritten Impfung in ein Coma diabeticum gefallen. Im Rahmen einer ärztlichen Untersuchung etwa 2 Monate nach der Auffrischungsimpfung habe ein positiver Zuckernachweis im Urin geführt werden können. Weitere Symptome wie Durst und häufiges Wasserlassen sowie Gewichtsverlust hätten vorgelegen. Belegt sei anhand einer Rechnung der damaligen Ärztin Frau Dr. K. vom 12. Mai 1971, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der dritten Impfung nicht infektfrei gewesen sei. Angesichts der ungeklärten Ätiologie des Diabetes mellitus Typ I seien die Voraussetzungen für eine "Kann-Versorgung" nach den Vorgaben der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP), Ausgabe 1996, erfüllt. Leistungsverpflichteter sei gemäß § 59 Abs. 2 Nr. 2 a BSeuchG der Beklagte zu 2, weil zum Zeitpunkt des Eintritts des Impfschadens die Klägerin ihren Wohnsitz im Land Niedersachsen gehabt habe. Die MdE um 50 v.H. sei durch die vorgenommene Bewertung des VA Oldenburg nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) belegt.

Die Beklagte zu 1, der das Urteil am 28. April 2000 zugestellt worden ist, hat am 10. Mai 2000 Berufung eingelegt. Der Beklagte zu 2 hat Berufung am 5. Mai 2000 gegen das am 27. April 2000 zugestellte Urteil eingelegt. Übereinstimmend weisen die Beklagten darauf hin, die Erkrankung sei nicht durch die Impfung ausgelöst worden, sondern eher durch Kinderkrankheiten, insbesondere fieberhafte Virus-Infekte und Infektion mit Mumps-Virus. Schon vor dem 30. März 1971 hätten Anzeichen einer Diabeteserkrankung bestanden.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des SG Hannover vom 13. Januar 2000 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Die Klägerin hält die Untersuchung zur Einschulung im März 1971 mit positivem Glukoseurin nicht für aussagekräftig. Sonstige Symptome seien erst ab Mai 1971 aufgetreten. Zu berücksichtigen sei der ...

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