Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstufung eines Versicherten in die Qualifikationsgruppen nach § 68 Abs 2 SGB 9 2018. förmlicher Berufsabschluss. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Einstufung der Versicherten in die in § 68 Abs 2 SGB IX normierten Qualifikationsgruppen kommt es allein auf den förmlichen Abschluss der maßgeblichen Berufsbildung an.

 

Orientierungssatz

Gegen die typisierende Regelung in § 68 Abs 2 SGB 9 2018 bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

 

Normenkette

SGB IX § 68 Abs. 1, § 2 S. 2 Nrn. 3-4; SGB IX a.F. § 48 Abs. 2; BBiG § 4 Abs. 2; BKV (Berufskraftfahrer-Ausbildungsverordnung) § 1; BKV (Berufskraftfahrer-Ausbildungsverordnung) § 8; SGB III § 152; SGB III a.F. § 132; SGB IV § 18; BKrFQV §§ 3-5

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 26. August 2019 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der 1966 geborene Kläger begehrt höheres Übergangsgeld für die Dauer der ihm von der Beklagten mit Bescheid vom 22. Januar 2018 bewilligten Teilnahme an einem Reha-Vorbereitungslehrgang vom 14. März bis 12. Juni 2018 sowie an einer sich über 24 Monate erstreckenden Weiterbildung zum Verwaltungsfachwirt mit Beginn im Juni 2018.

Der Kläger war zuletzt bis zum Eintritt einer Arbeitslosigkeit im Jahr 2014 als Kraftfahrer tätig. In dem entsprechenden Fragebogen der Beklagten hat der Kläger im März 2018 als „höchste berufliche Qualifikation“ „Berufskraftfahrer“ angegeben, wobei er jedoch keine förmliche Prüfung als Berufskraftfahrer abgelegt hat. Seiner Auffassung nach ist jedoch die mehr als fünfzehnjährige Tätigkeit als Kraftfahrer einem Abschluss als Berufskraftfahrer gleichzusetzen, wobei er zugleich darauf hinwies (vgl. Erklärung vom 4. März 2018, Bl. 114 VV), dass er aufgrund „von sehr schwierigen Verhältnissen in der Branche“ und häufigen Fehlzeiten keine lückenlosen Nachweise in Form von Arbeitszeugnissen erbringen könne.

Von 2015 bis Anfang 2018 hat der Kläger im Rahmen einer neben dem Bezug von Arbeitslosengeld bzw. von Leistungen nach dem SGB II ausgeübten geringfügigen Beschäftigung weiterhin als Kraftfahrer gearbeitet. Im Dezember 2017, Januar und Februar 2018 hat er jeweils vier Stunden gearbeitet und dafür einen Bruttolohn in Höhe von 48 € erhalten (vgl. Arbeitgeberauskunft vom 4. Mai 2018, Bl. 126 ff. VV).

Mit Bescheiden vom 17. Mai 2018 und vom 22. Juni 2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. Juli 2018 sprach die Beklagte dem Kläger für die Dauer der mit Bescheid vom 11. Januar 2018 bewilligten Teilhabeleistungen Übergangsgeld in Höhe von kalendertäglich 26,92 € zu. Zur Begründung erläuterte Sie, dass der Berechnung des Übergangsgeldes nach den Vorgaben des § 68 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB IX ein fiktives Arbeitsentgelt in Höhe von einem Sechshundertstel der Bezugsgröße und damit in Höhe von 60,90 € zugrunde zu legen sei, da der Kläger weder über eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf im Sinne des § 68 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB IX noch über eine höherwertige Berufsausbildung verfüge. Der Berechnung des Übergangsgeldes seien nach § 68 Abs. 1 Satz 1 SGB IX 65 % dieses fiktiven Arbeitsentgelts, d.h. ein Betrag von kalendertäglich 39,59 €, zugrunde zu legen. Von dieser Berechnungsgrundlage seien nach § 66 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB IX 68 %, entsprechend 26,92 € je Kalendertag, in Ansatz zu bringen, da der Kläger kein Kind habe auch sonst keinen der in § 66 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 aufgeführten Tatbestände für die Heranziehung eines Bemessungssatzes von 75 % erfülle.

Mit der am 20. Juli 2018 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass er auch ohne abgeschlossene Ausbildung zum Berufskraftfahrer wie ein Versicherter mit abgeschlossener Ausbildung für die Bemessung des Übergangsgeldes zu behandeln sei. Dementsprechend sei der Berechnung des Übergangsgeldes nach den Vorgaben des § 68 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB IX ein fiktives Arbeitsentgelt in Höhe von einem Vierhundertfünfzigstel der Bezugsgröße zugrunde zu legen.

Er habe insbesondere an einzelnen Modulen einer Weiterbildung zum Berufskraftfahrer teilgenommen. So habe er am 14. Mai 2011 und am 21. April 2012 an einer jeweils siebenstündigen Weiterbildung im Bereich Gesundheit, Verkehrs- und Umweltsicherheit, Dienstleistung, Logistik, am 2. Juli und 17. November 2011 an einer jeweils siebenstündigen Weiterbildung im Bereich Verbesserung des Fahrverhaltens auf der Grundlage von Sicherheitsregeln und am 4. Juni 2011 an einer siebenstündigen Weiterbildung im Bereich Anwendung der Vorschriften teilgenommen (vgl. Bescheinigungen Bl. 56 ff. GA). Eine weitere 24 Stunden umfassende Weiterbildung in den vorstehend angesprochenen Bereichen habe er im Dezember 2016 absolviert (vgl. Bescheinigung des Fahrlehrers Röper vom 16. Dezember 2016, Bl. 61 GA).

Mit Urteil vom 26. August 2016, der Beklagten zugestellt am 19. September 2016, hat das Sozialgericht die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide dazu v...

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