Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Schüler-BAföG. Ermittlung des pauschalierten Anteils der Ausbildungskosten als zweckbestimmte Einnahme
Leitsatz (amtlich)
1. Der - als zweckbestimmte Einnahme nicht als Einkommen auf die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB 2 anzurechnende - Ausbildungskostenanteil der Leistungen nach BAföG ist pauschal zu bestimmen, nicht auf der Grundlage konkreter Kostennachweise.
2. Kosten für den Schulbesuch können, wenn sie in atypischer Höhe anfallen, nicht als mit der Erzielung des Einkommens (hier: Leistungen nach BAföG) verbundene notwendige Ausgaben angesehen werden.
3. Bei der Ermittlung des pauschaliert zu ermittelnden Ausbildungskostenanteils der BAföG-Leistungen ist auch das Kindergeld in die Betrachtung mit einzubeziehen.
4. Der Anteil der Ausbildungskosten am Schüler-BAföG beträgt derzeit pauschal 51,90 Euro.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 18. Juli 2007 und der Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2007 werden abgeändert. Der Beklagte wird verpflichtet, von den insgesamt zugrunde gelegten Einkünften des Klägers zu 2. einen Ausbildungskostenanteil in Höhe von 51,90 € als zweckbestimmte Einnahme nicht als Einkommen zu berücksichtigen und den Klägern entsprechend dieser Maßgabe höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 31. März 2007 zu bewilligen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte hat 1/2 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage der Anrechnung von Leistungen als Einkommen, die der Kläger zu 2. aufgrund der Bestimmungen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) im Zeitraum von Januar bis März 2007 als Schüler einer Berufsfachschule erhielt.
Die Kläger sind eine 1961 geborene allein erziehende Mutter (die Klägerin zu 1.), ihr ... 1990 geborener Sohn (der Kläger zu 2.), der im Schuljahr 2006/07 eine Berufsfachschule in V besuchte, und ihre 1985 geborene Tochter (die Klägerin zu 3.). Die Kläger stehen seit Beginn des Jahres 2005 im Leistungsbezug der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Mit Bescheid vom 30. August 2006 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft der Kläger für den Zeitraum von Oktober 2006 bis März 2007 monatliche Leistungen in Höhe von 743,69 €. Zugrunde legte sie nach näherer Maßgabe des dem Bescheid angefügten Berechnungsbogens einen Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1.358,71 €, der sich aus den Regelsätzen (345,00 € für die Klägerin zu 1., je 276,00 € für den Kläger zu 2. und die Klägerin zu 3.), einem Mehrbedarf für Alleinerziehende der Klägerin zu 1. in Höhe von 41,00 € sowie anerkannten monatlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 420,71 € zusammensetzte. Die berücksichtigten Kosten der Unterkunft und Heizung entsprachen hierbei den von den Klägern tatsächlich zu entrichtenden Beträgen - 218,52 € Grundmiete, 52,11 € Abschlag für Schönheitsreparaturen, 94,08 € Vorauszahlung für Betriebskosten und 70,00 € Vorauszahlung für Heizkosten - wobei ein Betrag in Höhe von 14,00 € in Abzug gebracht wurde, der 20 % der Heizkosten entspricht (offenbar in Anrechnung einer Warmwasserpauschale). Als Einkommen berücksichtigte der Beklagte insgesamt einen Betrag in Höhe von 615,02 €, wobei er ein bereinigtes Erwerbseinkommen der Klägerin zu 1. in Höhe von 273,27 € und ein bereinigtes Erwerbseinkommen der Klägerin zu 3. in Höhe von 33,75 € berücksichtigte, ferner ein Kindergeldeinkommen in Höhe von 308,00 € (zweimal 154,00 €, berücksichtigt beim Kläger zu 2. und bei der Klägerin zu 3.). Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Mit Änderungsbescheid vom 15. Dezember 2006 berücksichtigte der Beklagte ergänzend den mittlerweile an den Kläger zu 2. monatlich gezahlten Förderungsbetrag nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (Schüler-BAföG) in Höhe von 190,00 €, den er in voller Höhe als Einkommen anrechnete. Die Leistungen wurden demzufolge für die Monate Januar bis März 2007 auf monatlich 553,69 € - also 190,00 € geringer als im Bescheid vom 30. August 2006 - neu festgesetzt.
Die Klägerin zu 1. legte am 29. Dezember 2006 Widerspruch gegen den Bescheid vom 15. Dezember 2006 ein und führte aus, das an den Kläger zu 2. gezahlte Schüler-BAföG dürfe nicht abgezogen werden. Er habe Fahrkosten in Höhe von 65,70 € monatlich und habe für 55,40 € Bücher gekauft. Entsprechende Belege fügte sie bei. Der Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2007 zurück. Zur Begründung berief er sich darauf, Auszubildende hätten gemäß § 7 Abs. 5 SGB II keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, wenn ihre Ausbildung im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig sei. Im Falle des Klägers zu 2. greife jedoch der ergänzende Ausnahmetatbestan...