Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Kostenübernahme für Schultaschenrechner. keine abweichende Festlegung der Regelleistungen. kein Darlehen ohne Rückzahlung. kein Sonderbedarf. keine Verfassungswidrigkeit der Höhe des Sozialgeldes. keine Hilfe in sonstigen Lebenslagen nach § 73 SGB 12
Orientierungssatz
1. Eine abweichende Festlegung des Regelbedarfs bzw der Regelleistungen nach SGB 2 (hier wegen der Anschaffung eines Schultaschenrechners) ist unzulässig.
2. Auch wenn Aufwendungen für Schulmaterial grundsätzlich von den Regelleistungen nach § 20 Abs 1 SGB 2 bzw § 28 Abs 1 SGB 2 umfasst sind, können Leistungen für die Beschaffung eines Schultaschenrechners nicht auf der Grundlage des § 23 Abs 1 S 1 SGB 2 gewährt werden, wenn der Hilfebedürftige ausdrücklich kein zurück zu zahlendes Darlehen begehrt. Die Vorschrift des § 23 Abs 1 SGB 2 sieht tilgungsfreie Darlehen nicht vor. Lediglich in - hier nicht einschlägigen - Ausnahmefällen kann auf die monatliche Tilgung durch Aufrechnung verzichtet werden.
3. Die Aufzählung der Sonderbedarfe in § 23 Abs 3 S 1 SGB 2 ist abschließend und kann nicht im Wege der (verfassungskonformen) Auslegung auf Lernmittel bzw Schulmaterial erweitert werden.
4. Das Verfahren der Bemessung der Regelleistungen nach § 28 Abs 1 S 3 Nr 1 SGB 2 begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
5. Ein Anspruch auf Kostenübernahme für den Schultaschenrechner ergibt sich auch nicht aus § 73 SGB 12.
6. Aus dem UNKRÜbk kann ebenfalls kein direkter Anspruch hergeleitet werden.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. Januar 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Übernahme von Kosten für einen Schultaschenrechner in Höhe von 85,90 €.
Die beklagte Arbeitsgemeinschaft gewährt der am ... 1992 geborenen Klägerin sowie deren Eltern und zwei weiteren Geschwistern seit Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Im Schuljahr 2005/2006 besuchte die Klägerin die 7. Klasse des N Gymnasiums O.
Mit Elternbrief vom 29. August 2005 teilte das N Gymnasium O den Eltern der Schülerinnen und Schüler der 7. Klassen mit, dass entsprechend der Vorgabe der Rahmenrichtlinien Mathematik für das Gymnasium ab Klasse 7 verbindlich ein grafikfähiger Taschenrechner eingeführt werde. Die Fachkonferenz Mathematik habe sich für den TI 83 Plus von Texas Instruments entschieden. Den Eltern wurde angeboten, sich an einer Sammelbestellung zu beteiligen. Nach einer handschriftlichen Notiz auf der von der Klägerin vorgelegten Kopie des Elternbriefes vom 29. August 2005 ist der Taschenrechner für sie am 31. August 2005 bestellt worden. Weiterhin ergibt sich aus einem dem Antrag beigefügten "Garantiebeleg" vom 20. September 2005, dass der Kaufpreis des Taschenrechners - diesen hat ihr Vater zwischenzeitlich entrichtet - 85,90 € betrug.
Der Vater der Klägerin beantragte unter Beifügung des Elternbriefes vom 29. August 2005 und des Garantiebeleges am 5. Oktober 2005 bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für den Taschenrechner. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6. Oktober 2005 ab und führte zur Begründung aus, dass der geltend gemachte Bedarf bereits mit der Regelleistung abgegolten sei. Grundsätzlich haben Hilfebedürftige im Rahmen der Eigenverantwortung selbst durch Ansparung den Betrag für den streitgegenständlichen Taschenrechner aufzubringen; im Ausnahmefall könne ein Darlehen gewährt werden, sofern dies gesondert beantragt werde. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2005 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die geltend gemachten Kosten für die Beschaffung eines Taschenrechners von den Regelleistungen abgedeckt seien. Eine zusätzliche Kostenübernahme sei im System des SGB II nicht vorgesehen. Auch ein Antrag auf Gewährung eines Darlehens für die Beschaffung eines Taschenrechners, der bislang nicht gestellt worden sei, wäre nicht erfolgreich, da nicht zu erkennen sei, dass eine Ansparung aus den Regelleistungen nicht habe erfolgen können, zumal mit der Entstehung eines erhöhten Bedarfes zum Schuljahresbeginn jeweils zu rechnen sei.
Der Vater der Klägerin hat daraufhin am 16. Dezember 2005 beim Sozialgericht (SG) Oldenburg Klage erhoben und ergänzend darauf hingewiesen, dass im Unterschied zu Lehrbüchern der streitgegenständliche Taschenrechner nicht ausgeliehen werden könne, sondern für jedes Kind von den Eltern gekauft werden müsse. Der Taschenrechner sei mit 85,90 € aber so teuer, dass er nicht aus der Regelleistung bezahlt werden könne. Offensichtlich bestehe eine gesetzliche Regelungslücke. Auf Nachfrage des SG Oldenburg teilte der Vater der Klägerin ergänzend mit, dass er einen Hilfsantrag mit dem Ziel der Gewährung eines Darlehens nicht stellen wolle.
Der Vater der Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 6. Okto...