Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf. unabweisbarer laufender besonderer Bedarf. Anschaffung eines iPads zwecks Teilnahme an einer iPad-Klasse. Sozialhilfe. Hilfe in sonstigen Lebenslagen
Leitsatz (amtlich)
1. Der Kauf eines iPads zwecks Teilnahme an einer iPad-Klasse ist nicht vom Jobcenter gemäß § 21 Abs 6 SGB II als Zuschuss zu übernehmen, weil es sich um einen einmaligen Bedarf handelt, der prognostisch nicht in jedem Schuljahr wieder anfällt.
2. Eine atypische Lebenssituation liegt im Vergleich zu Haushalten knapp oberhalb des SGB II-Bedarfs und Beziehern von Kinderzuschlag nicht vor.
3. Der Bedarf ist nicht unabweisbar, wenn alternativ zum Sofortkauf die Möglichkeit besteht, über die Schule das benötigte iPad gegen eine einmalige Leihgebühr von 50 Euro, die bei endgültiger Rückgabe des Geräts erstattet wird, zu erhalten.
4. Eine analoge Anwendung des § 21 Abs 6 SGB II kommt nicht in Betracht, weil keine Regelungslücke besteht und dem Willen des Gesetzgebers widersprechen würde, wonach für diese Ausstattung die Schulverwaltungen zuständig sind.
5. Die Bevorzugung eines bestimmten Herstellers ohne Ausschreibung stellt einen Verstoß gegen die Neutralitätspflicht einer Schule dar, der dem Einsatz öffentlicher Mittel nach § 73 SGB XII entgegensteht.
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 26. März 2019 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme der Kosten für ein Tablet der Firma Apple nebst Schutzhülle und Versicherung als Zuschuss zwecks Teilnahme an einer iPad-Klasse streitig.
Die am G. 2007 geborene Klägerin wohnt mit ihrer Mutter, H., und dem älteren Bruder, I., zusammen. Sie standen beim Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgängerin im laufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), der ihnen für den Monat September 2018 Arbeitslosengeld II in Höhe von 590,66 EURO bewilligte (Bewilligungsbescheid vom 12. Juli 2018). Durch Bescheid vom 25. Juli 2018 hatte die Klägerin ferner die Pauschale für den persönlichen Schulbedarf gemäß § 28 Abs. 3 SGB II in Höhe von 70,00 EURO erhalten.
Die Klägerin absolvierte die 5. Klasse in einer anderen Schule und wechselte zum Schuljahr 2018/2019 in die 6. Klasse der Integrierten Gesamtschule J. (IGS J.). In dieser Schule starteten bereits im 5. Jahrgang alle Schüler und Schülerinnen gemäß einem schulinternen Medienkonzept, welches jeweils vor Beginn des 5. Jahrgangs den Eltern vorgestellt wurde, mit einem sog. Tabletprofil. Zu diesem Zweck hatte die Schule über ein eigenes Bestellportal den Eltern die Möglichkeit geboten, bei der Gesellschaft für digitale Bildung mbH ein „Tabletstarterpacket“ bestehend aus einem iPad der Firma Apple mit unterschiedlichen Speicherkapazitäten, einer Schutzhülle und einer Versicherung zu erwerben. Es bestand die Option eines Sofortkaufes zum Preis von 575,00 EURO oder eines Ratenkaufes über 36 Monate Laufzeit mit einer monatlichen Rate von 17,42 EURO. Die IGS J. stellte den Eltern ferner die Möglichkeit eines privatrechtlichen Leihvertrags zur Verfügung. Danach erhielten die Schüler für die Zwecke des Unterrichts in der Schule und zu Hause leihweise ein Apple iPad mit Rückenschutz, Netzgerät und Netzkabel. Das Leihgerät war und blieb Eigentum der Schule und musste lediglich auf Aufforderung der Schulleitung während der Ferien bzw. beim endgültigen Verlassen der Schule an die Schule zurückgegeben werden. Die IGS J. erhob eine einmalige Leihgebühr von 50,00 EURO, die bei endgültiger Rückgabe des Gerätes erstattet würde.
Am 8. Oktober 2018 unterzeichnete die Mutter der Klägerin mit der Gesellschaft für digitale Bildung mbH einen Mietkauf-Vertrag für ein Apple iPad 9,7 (32 GB) einschließlich Hülle Tucano Guscio und schooltab-Premium-Versicherung für 36 Monate zu einer monatlichen Rate von 17,42 EURO. Bereits am 14. September 2007 hatte die Mutter der Klägerin beim Beklagten einen Antrag auf Kostenübernahme für die Anschaffung eines Schul-iPad nebst Zubehör zum Sofortkauf bzw. Mietkauf gestellt. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 18. September 2018 und Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2018 ab, weil die Klägerin bereits die Schülerbedarfspauschale erhalten habe und ein Tablet als einmalige Anschaffung nicht über § 21 Abs. 6 SGB II als Zuschuss gewährt werden könne. Die monatliche Rate für den Mietkauf sei für die Klägerin, wie das Bundessozialgericht bezüglich der Leihgebühr für ein Musikinstrument bereits entschieden habe, zumutbar. Am 7. November 2018 hat die Klägerin beim Sozialgericht Hannover Klage erhoben mit dem Ziel einer Verpflichtung des Beklagten, die Kosten für die Anschaffung eines Schultablets in Höhe von 575,00 EURO zu übernehmen, hilfsweise ein Darlehen für die Anschaffung des iPads mit Zubehör zu gewähren (AZ: S 7 AS 3818/18).
Am 2. Januar 2019 hat die Kl...