Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kostenerstattung. Mammareduktionsplastik. Rückenbeschwerden. Krankheit. Entstellung. Entzündliche Hautveränderungen. Nachweis der Wirksamkeit. Unaufschiebbare Leistung

 

Orientierungssatz

Gesetzlich Krankenversicherte haben keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten einer Mammareduktionsplastik aufgrund bestehender Rückenbeschwerden. Es besteht kein wissenschaftlicher Beweis für die Effektivität einer Mammareduktion bei Rückenbeschwerden.

 

Normenkette

SGB V § 2 Abs. 1, § 12 Abs. 1, § 13 Abs. 3, § 27 Abs. 1

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Mammareduktionsplastik.

Die im Jahre 1964 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Bei einer Größe von 172 cm besteht ein Körpergewicht von 75 kg. Die Klägerin trägt einen BH der Größe 85 DD bzw. D.

Die Klägerin beantragte durch Vorlage eines Attestes des Brustzentrums Nord-Münsterland vom 28. November 2008 gegenüber der Beklagten die Gewährung einer Mammareduktionsplastik. In dem Attest wird ausgeführt, dass die Klägerin gegenüber dem untersuchenden Arzt Dr. H. über HWS- und Schulterbeschwerden berichtet habe, bezüglich derer sie seit längerer Zeit in orthopädischer Behandlung sei. Ein Eingriff sei medizinisch indiziert. Es sollte je Brust 450 Gramm entfernt werden. Beigefügt war ferner eine ärztliche Bescheinigung des Orthopäden und Chirotherapeuten I. Dieser führte aus, dass die Klägerin seit mehreren Jahren an Schmerzen in der Cerviko-Thorakalregion mit Ausstrahlung in die Schultergelenke leide. Trotz intensiver Krankengymnastik und Eigentherapie habe keine längerfristige Beschwerdefreiheit erreicht werden können. Die Rückenstrecker und die Schultergürtelmuskulatur seien trotz intensiven Trainings zu schwach, um dem Brustgewicht entgegenzuwirken. Es käme immer wieder zu Fehlhaltungen. Eine Mammareduktionsplastik sei aus orthopädischer Sicht indiziert, um Folgeschäden und Fehlhaltungen zu vermeiden. Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Überprüfung. Dieser führte nach persönlicher Untersuchung am 1. Februar 2009 durch Dr. J. aus, dass keine medizinische Indikation für die Brustverkleinerung gegeben sei. Es bestehe kein Missverhältnis zwischen Brustgröße und Körperstatur. Die geklagten Beschwerden seien durch das chronische HWS-Syndrom ausreichend begründet. Außerdem solle gegebenenfalls ein Ausschluss eines Karpaltunnelsyndroms geführt werden, da die Klägerin angegeben habe, rezidivierend unter Kribbelparästhesien in den Fingern/Händen zu leiden. Gestützt auf diese Feststellungen lehnte die Beklagte den Antrag durch Bescheid vom 12. Februar 2009 ab. Nach den Feststellungen des MDK sei eine medizinische Indikation für eine Brustverkleinerung nicht gegeben.

Die Klägerin erhob Widerspruch und trug vor, dass nach ihrem Eindruck ihre Beschwerden bei der Untersuchung durch den MDK nicht ernst genommen worden seien und ihre Individualität missachtet worden sei. Sie überreichte ferner eine weitere Bescheinigung des Orthopäden I. vom 4. März 2009, der insbesondere auf die Gefahr der Chronifizierung einer HWS-Symptomatik hinwies. Die Beklagte beauftragte erneut den MDK mit der Überprüfung. Nach neuerlicher körperlicher Untersuchung führte N. K. am 8. April 2009 aus, dass die vorhandenen Beschwerden in HWS und BWS ihre Ursache in den strukturellen Abweichungen der Wirbelsäule hätten. Es empfehle sich eine orthopädische Behandlung mit Krankengymnastik und gegebenenfalls geeignete sportliche Betätigung. Insgesamt befände sich die Brustgröße der Klägerin innerhalb der Norm. Ein Missverhältnis zwischen Brustgröße und Statur liege nicht vor, ebenso wenig eine Entstellung. Es bestehe keine medizinische Indikation zu einer operativen Verkleinerung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2009 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Es sei keine medizinische Indikation für einen Eingriff festzustellen. Ferner sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bei der Krankenbehandlung auf die Krankheitsursache abzustellen. Es gäbe auch keine wissenschaftlichen Studien, die einen Zusammenhang zwischen Brustgröße einerseits und Rückenbeschwerden andererseits belegen würden.

Hiergegen hat die Klägerin am 2. Juli 2009 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Osnabrück erhoben. Eine Mammareduktionsplastik sei erforderlich, da sie seit Jahren unter Rückenbeschwerden an der Halswirbelsäule und im Schulterbereich leide, wobei die Beschwerden auf die Brustgröße zurückzuführen seien. Trotz krankengymnastischer Behandlungen und eines selbst durchgeführten Sportprogramms im Fitness-Studio sei eine Beschwerdelinderung nicht möglich gewesen. Die behandelnden Ärzte Dr. H. und I. würden eine Brustverkleinerung für medizinisch erforderlich erachten.

Das SG hat zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts den Befundbericht des Orthopäden I. vom ...

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