Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Kostenübernahme für eine Mammareduktionsplastik. Brustverkleinerung. durch die Krankenkasse

 

Orientierungssatz

1. Kann die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie die Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, so sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe nach § 13 Abs. 3 SGB 5 zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.

2. Bei einer Mammareduktionsplastik - Brustverkleinerung - handelt es sich grundsätzlich nicht um eine unaufschiebbare Leistung nach § 13 Abs. 2 SGB 5 i. S. eines Notfalls.

3. Eine chirurgische Behandlung in Form der Brustverkleinerung muss ultima ratio sein. Erforderlich zur Kostentragungspflicht der Krankenkasse ist eine schwerwiegende Erkrankung der Wirbelsäule, die erfolglose Ausschöpfung aller konservativer orthopädischer Behandlungsmaßnahmen und die mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, dass die Maßnahme auch den gewünschten Erfolg bringt (LSG Hamburg Urteil vom 25. 8. 2016, L 1 KR 38/15).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 24.02.2021; Aktenzeichen B 1 KR 50/20 B)

 

Tenor

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aurich vom 25. Juli 2019 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Kosten für eine durchgeführte Mammareduktionsplastik.

Die im Jahre 1966 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie litt an einer Ptosis der Mammae, einem HWS-Syndrom und Kopfschmerzen.

Nachdem die Beklagte bereits mit Bescheid vom 13. Juni 2016 die Kostenübernahme einer Mammareduktionsplastik abgelehnt hatte, legte die Klägerin mit Schreiben vom 9. November 2016 Widerspruch ein. Die Beklagte wertete dieses Schreiben als Neuantrag. Die Klägerin überreichte eine Bescheinigung ihres Hausarztes Dr E. vom 31. Oktober 2016, wonach die Klägerin unter einer Vergrößerung ihrer Brüste leide mit der Folge, dass eine muskuläre Dysbalance im Bereich des Oberkörpers auftrete. Es entstünden wiederkehrende Rückenschmerzen und Hautreizungen. Eine angemessene Verkleinerung könnte eine deutliche gesundheitliche Verbesserung bewirken.

Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der sozialmedizinischen Begutachtung. Dieser führte unter dem 28. November 2016 durch Dr F. aus, dass bei der Klägerin eine signifikante und zum Körperbau nicht passende Makromastie nicht vorliege. Vielmehr bestehe eine ausgeprägte Ptose. Eine Kausalität der Beschwerden im HWS-Bereich durch die Ptose der Brüste sei medizinisch nicht nachvollziehbar. Zu empfehlen sei vielmehr eine erneute fachorthopädische Abklärung und dann zielgerichtete Heilmittelanwendung. Darüber hinaus solle eine multimodale Schmerztherapie durchgeführt werden.

Gestützt auf diese Feststellungen lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 2. Dezember 2016 ab.

Die Klägerin erhob Widerspruch und trug vor, dass Heilmittelanwendungen bezüglich der HWS-Beschwerden regelmäßig stattfinden würden. Auch Schmerztherapien seien bereits durchgeführt worden. Dies habe keinen Erfolg gebracht. Sie überreichte eine ärztliche Bescheinigung des Orthopäden Dr G. vom 13. Februar 2017, wonach aufgrund des zunehmenden Leidensdruckes einer Mammareduktionsplastik indiziert sei. Ferner überreichte sie ein Attest der Hautärztin Dr H. vom 1. März 2017, die eine Mammareduktionsplastik ebenfalls befürwortete. Die Beklagte beauftragte erneut den MDK mit der Begutachtung. Dieser führte mit Gutachten vom 19. Juni 2017 durch Dr I. aus, dass die Klägerin auf genaues Befragen erklärt habe, eine Reduktion der Brustgröße gar nicht anzustreben, sondern vielmehr eine Straffungsoperation der Brüste beidseits mit Anhebung. Sie sehe für sich aufgrund des fehlenden Therapieerfolges der vorangegangenen Behandlung keine andere Möglichkeit, die Schmerzen im Nacken- und Schulterbereich und die chronischen Kopfschmerzen loszuwerden. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Brustgröße und dem geklagten Beschwerdebild konnte vom Gutachter nicht gesehen werden. Die Brustgröße sei im Verhältnis zur Körpergröße auch durchaus proportioniert; eine Makromastie könne nicht bestätigt werden. Insgesamt bestehe keine Indikation für eine Bruststraffungsoperation. Außerdem bestünden erhebliche Zweifel darüber, ob eine solche Maßnahme tatsächlich eine Linderung bzw Heilung der geklagten HWS-Beschwerdesymptomatik erreichen könne.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. September 2017 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Bei der Klägerin läge keine Krankheit im Sinne des § 27 Abs 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) vor, da die Ptosis kein krankhafter Zustand sei mit einer dadurch verursachten Beeinträchtigung der Körperfunktion. Auch eine Entstellung durch Form und Größe der Brüste läge nicht vor. Der Gutachter des MDK habe vielmehr ausgeführt, dass keine signifi...

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