rechtskräftig
Verfahrensgang
SG Hildesheim (Entscheidung vom 16.06.1999; Aktenzeichen S 11 U 164/96) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 16. Juni 1999 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung und Entschädigung der Selbsttötung (Suizid) des Ehemannes der Klägerin als Folge eines Arbeitsunfalls.
Die Klägerin ist die Witwe des am 16. Juni 1951 geborenen und am 4. September 1995 durch Selbsttötung verstorbenen C. (Versicherter). Der Versicherte erlitt am 8. Februar 1995 bei seiner Tätigkeit als Glasbeschichter bei Deckenarbeiten einen Stromschlag und stürzte aus einer Höhe von 5 m von einer Leiter ab. Die am Unfallort eingetroffenen Rettungssanitäter stellten einen Atem- und Herzkreislaufstillstand bei Kammerflimmern fest. Nach erfolgreicher Reanimation wurde der Versicherte in das D.Krankenhaus in E. eingeliefert. Dr. F. diagnostizierte am Unfalltag u.a. ein schweres Schädelhirntrauma und einen offenen körperfernen Oberschenkelbruch des linken Beines. Bis zum 15. März 1995 befand sich der Versicherte in stationärer Behandlung. Die Oberschenkelfraktur wurde am Unfalltag operativ versorgt, anschließend wurde der Versicherte auf die Intensivstation verlegt. Die Schädel-CT-Untersuchung ergab keinen Anhalt für ein ausgeprägtes Hirnödem oder eine Hirnblutung. Die am Unfalltag durchgeführte neurologische Untersuchung ergab bis auf eine auffällige Blickwendung nach links keine wesentlichen Auffälligkeiten. Am folgenden Tag war der Versicherte wieder ansprechbar, es fand sich jedoch ein ausgeprägtes Durchgangssyndrom, das medikamentös behandelt wurde. Auch nach Verlegung auf die Normalstation war er auffällig und hatte Gedächtnislücken (Bericht der Dres. G. vom 15. März 1995). An den Unfall und die Zeit auf der Intensivstation konnte sich der Versicherte nicht erinnern. Ein nochmals durchgeführtes EEG und eine neurologische Kontrolluntersuchung waren unauffällig. Eine testpsychologische Untersuchung ergab eine geringgradige Verlangsamung und Konzentrationsminderung und eine geringe Merkfähigkeitsminderung. Bei der Entlassung am 15. März 1995 war kein ausgeprägtes Durchgangssyndrom mehr nachweisbar (psychologischer Bericht Dr. H. vom 14. März 1995).
Zur weiteren Mobilisierung des linken Kniegelenkes wurde der Versicherte in die I. verlegt. Eine dort durchgeführte neurologische Kontrolluntersuchung war unauffällig. Bei der Entlassung am 1. Juni 1995 zeigte der Versicherte ein sicheres Gangbild an einer Unterarmgehstütze mit einer Teilbelastung von 50 kg. Die Beweglichkeit im linken Kniegelenk war noch eingeschränkt (Bericht J. vom 12. Juni 1995).
Bei der nächsten Vorstellung im K. am 17. Juli 1995 belastete er das Bein voll, es fand sich noch eine mäßige Muskelschrumpfung und Kraftminderung des linken Beines sowie eine Einschränkung der Beweglichkeit.
Ab 24. Juli 1995 erfolgte eine Belastungserprobung am alten Arbeitsplatz mit zunächst 2 Stunden täglich. Nach dem Bericht von Dr. L. vom 1. September 1995 hat der Versicherte den Arbeitsversuch gut toleriert, jedoch über gehäuft auftretende Schwellungen des Kniegelenkes geklagt.
Am 4. September 1995 arbeitete der Versicherte bis 16.20 Uhr. Anschließend hatte er einen Zahnarzttermin. Nach den Ermittlungen der Polizeiinspektion M. hielt er sich von 18.00 bis 20.30 Uhr in der Gaststätte N. in O. auf. Dem Wirt und den anwesenden Gästen sei aufgefallen, dass der Versicherte mehrere Gläser Bier (ca. 8 Gläser à 0,3 l) und, was sonst unüblich gewesen sei, 3 "Körner" getrunken habe. Man habe ihm schließlich geraten, den PKW vor der Gaststätte stehen zu lassen. Daraufhin soll der Versicherte wörtlich gesagt haben: "Es ist doch sowieso alles egal." Dem Wirt sei außerdem aufgefallen, dass der Versicherte "deprimiert" gewesen sei. Er habe direkt an der Theke gesessen und oft nach "unten" geschaut. Gegen 21.00 Uhr ist der Versicherte mit dem PKW nach Hause gekommen. Die Klägerin hat sein Kommen bemerkt und hat ihm außerhalb der Wohnungstür noch kurz zugewunken. Anschließend ist sie schlafen gegangen. Am Abend des 4. September 1995 erhängte sich der Versicherte im Gartenschuppen, er wurde am nächsten Tag von seiner Ehefrau aufgefunden. In der von dem Hausarzt Dr. F. am 5. September 1995 ausgefüllten Todesbescheinigung litt der Verletzte seit dem Arbeitsunfall unter einer leichten reaktiven Depression.
Mit Schreiben vom 7. September und 11. September 1995 teilte Dr. F. mit, der Versicherte sei wegen der langsamen Rekonvaleszenz deprimiert gewesen. Nach dem Unfall hätten sich Wesensveränderungen gezeigt. Er sei schon immer verschlossen und zurückhaltend gewesen. Dies habe er auch nach dem Unfall nicht abgelegt. Jedoch habe er im August 1995 festgestellt, dass der Versicherte auf Befragen zwar umfassend zu den Auswirkungen des Arbeitsunfalls Stellung genommen habe, jedoch nicht üb...