Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Hilfebedürftigkeit des Miterben. Miteigentümer eines selbst genutzten Hausgrundstücks. Vermögensberücksichtigung. Schonvermögen. angemessene Größe. keine Verwertbarkeit. Grundstück als selbständige Immobilie
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Miterbe kann trotz seines Miteigentumsanteils an einem Hausgrundstück und an Grundstücksflächen hilfebedürftig iS des §§ 7 Abs 1 S 1 Nr 3, 9 und 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB 2 sein.
2. Zwar kann gem § 2033 Abs 1 BGB jeder Miterbe über seinen Anteil an dem Nachlass verfügen; dies gilt jedoch nicht für einzelne Nachlassgegenstände und auch nicht für seinen Anteil an einzelnen Nachlassgegenständen, § 2033 Abs 2 BGB.
3. Eine Teilauseinandersetzung gegen den Willen des Miterbens kann nicht durchgesetzt werden, § 2040 Abs 1 BGB.
4. Die Grundstücksgröße ist bei der Frage, ob das Hausgrundstück Schonvermögen iS des § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB 2 ist, nicht zu berücksichtigen; vielmehr gibt die Grundstücksgröße Anlass zu prüfen, ob eine gesonderte Verwertung des die Angemessenheit übersteigenden Grundstücksteils als selbständige Immobilie in Betracht kommt.
Tenor
Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die 1964 geborene Klägerin begehrt die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. März 2005 als Zuschuss statt als Darlehen.
Die Klägerin bewohnt mit ihrem 1989 geborenen Sohn ein Hausgrundstück in D.. Sie ist seit 1978 gemeinsam mit ihrer 1935 geborenen und am 26. Januar 2009 verstorbenen Mutter, E., je zur Hälfte Eigentümerin dieses Grundstücks im Wege der Erbfolge nach dem Tod ihres Vaters. Die Gebäude- und Freifläche hat eine Größe von 2.364 qm zuzüglich einer Fläche von 1.510 qm als Land- und Forstwirtschaft und Grünland. Die Wohnfläche des Hauses beträgt 65 qm. Außerdem sind auf dem Grundstück neben dem Wohnhaus ein Zwischenbau, ein ehemaliger Schweinestall, ein ehemaliger Hühnerstall, eine Scheune und eine Garage vorhanden. Diese Flächen werden überwiegend als Lagerflächen genutzt. Nach eigener Einlassung der Klägerin befindet sich die Toilette im Stall und eine Waschgelegenheit in der Küche.
Außerdem ist die Klägerin Miteigentümerin zu 1/2 von mehreren landwirtschaftlichen Nutzflächen von knapp 80.000 qm, die sich wie folgt zusammensetzen:
Ackerland 35.000 qm, Grünland 20.000 qm, Waldfläche 25.000 qm.
Aus der Verpachtung dieser landwirtschaftlichen Nutzflächen werden Pachteinnahmen in Höhe von 950,-- Euro jährlich erzielt, die der Mutter der Klägerin zuflossen.
Der Bodenrichtwert beträgt nach der von dem Beklagten eingeholten Auskunft des Katasteramtes für Grünland € 0,60 pro Quadratmeter und für Ackerland € 0,90 pro Quadratmeter.
Nach der eigenen Einlassung der Klägerin ist eine Verwertung der land- und forstwirtschaftlichen Flächen nicht möglich. Eine einvernehmliche Teilauseinandersetzung mit der Mutter der Klägerin ist ausweislich der Erklärung der Mutter vom 24. April 2006 nicht möglich. Nach der eigenen Einlassung der Klägerin ist ihre Mutter weder zu einer Veräußerung noch zu einem Erwerb des anderen Miteigentumsanteils bereit.
Auf den Antrag der Klägerin gewährte der Beklagte der Klägerin darlehensweise Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 31. März 2005 in Höhe von 496,15 Euro bis zum 31. März 2005 mit der Begründung, dass das Vermögen aus dem Grundbesitz zu verwerten sei.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, soweit die Leistungen als Darlehen gewährt würden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. September 2005 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus: Das im Miteigentum der Klägerin stehende Grundvermögen stelle verwertbares Vermögen im Sinne des § 12 SGB II dar.
Hiergegen hat die Klägerin am 05. Oktober 2005 Klage zum Sozialgericht (SG) Lüneburg erhoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Eine einvernehmliche Teilauseinandersetzung mit ihrer Mutter sei nicht möglich. Ein Verkauf der landwirtschaftlichen Flächen sei unmöglich. Eine Gesamtauseinandersetzung über das Erbe sei unzumutbar. Bei einer Gesamtauseinandersetzung würde sie, die Klägerin, auch ihr Wohnhaus verlieren. Dies sei jedoch geschützt, weil es nur eine Wohnfläche von 65 qm aufweise. Ein Verkauf sei auch nicht sinnvoll, weil sie, die Klägerin, dann zukünftig Miete zahlen müsse, wodurch der öffentlichen Hand höhere Kosten als bislang entstünden.
Der Beklagte war hingegen der Ansicht, dass eine teilweise Verwertung der landwirtschaftlichen Flächen möglich sei.
Mit Urteil vom 20. Juni 2007 hat das SG Lüneburg den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 30. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2005 verpflichtet, der Klägerin die darlehensweise erbrachten Leistungen ohne den Vorbehalt der Rückforderung zu zahlen. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt: De...