Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung und -berechnung. Kindergeldnachzahlung. Absetzbeträge. keine mehrfache Absetzung der Versicherungspauschale. Abgrenzung von den Absetzungen bei Erwerbseinkommen
Leitsatz (amtlich)
Die Versicherungspauschale von 30,00 Euro ist bei Einkommen aus Sozialleistungen - hier Kindergeld - nicht in Anlehnung an die Entscheidung des BSG vom 17.7.2014 (Abgrenzung von BSG vom 17.7.2014 - B 14 AS 25/13 R = BSGE 116, 194 = SozR 4-4200 § 11 Nr 67) mehrfach in einem Monat zum Abzug zu bringen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 4. Juni 2019 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem dieser zuvor bewilligte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Monat September 2016 teilweise aufgehoben und die Erstattung eines überzahlten Betrages von 350,00 Euro geltend gemacht hat.
Die am 2. April 1998 geborene, alleinstehende Klägerin bewohnte im streitgegenständlichen Monat September 2016 eine 42,87 qm große Wohnung in C., J. K., für die eine monatliche Kaltmiete von 295,80 Euro, monatliche Nebenkostenvorauszahlungen von 76,00 Euro und monatliche Heizkostenvorauszahlungen von 48,00 Euro anfielen. Erwerbseinkommen erzielte die Klägerin im hier streitgegenständlichen Monat nicht.
Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 11. April 2016 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 29. Juni 2016 und 13. September 2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II u.a. für den Monat September 2016 in Höhe von 823,80 Euro (404,00 Euro Regelbedarf, 295,80 Euro Grundmiete, 48,00 Euro Heizkosten, 76,00 Euro Nebenkosten).
Am 15. September 2016 überwies die Familienkasse Niedersachsen-Bremen an die Klägerin Kindergeld in Höhe von insgesamt 380,00 Euro. Der Betrag setzte sich zusammen aus dem Kindergeld für die Monate August und September 2016 in Höhe von jeweils 190,00 Euro.
Nachdem der Beklagte hiervon Kenntnis erlangt hatte, hörte er die Klägerin mit Schreiben vom 22. September 2016 zu der beabsichtigten teilweisen Aufhebung der bewilligten SGB II-Leistungen und zur beabsichtigten Geltendmachung eines Erstattungsbetrags von 350,00 Euro wegen der erhaltenen Kindergeldzahlungen abzüglich der Versicherungspauschale von 30,00 Euro an. Mit Schreiben vom 1. Oktober 2016 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass ihr das Kindergeld zustehe und sie nicht einsehe, etwas erstatten zu müssen.
Mit Bescheid vom 24. Oktober 2016 hob der Beklagte seine Bewilligungsentscheidung für den Monat September 2016 in Höhe von 350,00 Euro auf und machte diesen Betrag als Erstattungsforderung gegenüber der Klägerin geltend. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Am 13. Dezember 2016 beantragte die Klägerin nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) die Überprüfung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 24. Oktober 2016. Der Bescheid sei bereits aus formellen Gründen rechtswidrig, weil er nicht ordnungsgemäß begründet worden sei.
Mit Bescheid vom 30. Januar 2017 lehnte der Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid sei ausreichend begründet worden.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Es sei zwar richtig, dass ihr im September 2016 Kindergeld für die Monate August und September 2016 in Höhe von 380,00 Euro überwiesen worden sei. Von diesem Betrag hätte aber die Versicherungspauschale von 30,00 Euro nicht nur einmalig abgezogen werden müssen, sondern doppelt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gelte nämlich, dass wenn in einem Monat Einkommen bestehend aus mehreren Monaten aus- bzw. nachgezahlt werde, dieses zwar im Zuflussmonat angerechnet werde, jedes Monatseinkommen aber für sich um die monatlichen Abzugsbeträge bereinigt werden müsse. Dieser Grundsatz erstrecke sich nach einer Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg auch auf die Nachzahlung von Sozialleistungen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2019 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Er habe die angegriffene Entscheidung geprüft. Sie sei jedoch rechtmäßig.
Die hiergegen von der Klägerin am 22. Februar 2019 beim Sozialgericht (SG) Braunschweig unter Wiederholung des Vorbringens aus dem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das SG mit Urteil vom 4. Juni 2019 ohne mündliche Verhandlung abgewiesen. Der Beklagte habe die bewilligten SGB-Leistungen für den Monat September 2016 zurecht teilweise aufgrund des zuvor noch nicht berücksichtigten Kindergeldbezugs aufgehoben und von der Klägerin die Erstattung von 350,00 Euro verlangt. Er habe entgegen der Auffassung der Klägerin die Versicherungspauschale nicht zweimal in Abzug bringen müssen. Die Entscheidung des BSG vom 17. Juli 2014 (B 14 AS 25/13 R) zum mehrfachen Abzug des Grundfreibetrags von 100,00 Euro in einem Mo...