Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragszahnärztliche Versorgung. Kollektivverzicht. abgestimmtes Verhalten. disziplinarische Maßnahme. Zweck der Wiederzulassungssperre. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Ein aufeinander abgestimmtes Verhalten iS von § 95b SGB 5 setzt nicht im Einzelnen den Nachweis voraus, dass sich der betreffende Zahnarzt mit einer bestimmten Gruppe gesammelt, sein Verfahren entsprechend strategisch ausgerichtet und dabei mit anderen kommuniziert hat.
2. Die Regelungen des § 95b Abs 2 SGB 5 ist keine disziplinarische Maßnahme, sondern mit der Regelung in § 95 Abs 6 SGB 5 zu vergleichen, wonach die Zulassung zu entziehen ist, wenn der Vertrags(zahn)arzt seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt.
3. Zweck der Wiederzulassungssperre ist, das als Folge der Feststellung nach § 72a Abs 1 SGB 5 zu installierende alternative Versorgungssystem zu schützen, das nach dem Übergang des Sicherstellungsauftrags von den Kassen unter Heranziehung von anderen (Zahn)ärzten, Krankenhäusern oder sonstigen geeigneten Einrichtungen als Vertragspartner bzw durch Eigeneinrichtungen zu errichten ist.
4. Die Regelung des § 95b Abs 2 SGB 5 steht mit dem GG in Übereinstimmung.
Nachgehend
Tenor
Die Berufungen der Klägerinnen gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 21. Juni 2006 werden zurückgewiesen.
Die Klägerinnen haben die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldnerinnen zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 132.776,88 €.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Wiederzulassung der Klägerin zu 1. zur Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Tätigkeit.
Die Klägerin zu 1. ist Fachzahnärztin für Kieferorthopädie und nahm seit dem 02. Januar 1985 an ihrem Praxissitz in A/L (Landkreis H) an der vertragszahnärztlichen Versorgung teil. Mit Schreiben vom 14. März 2004 verzichtete sie dem Zulassungsausschuss Niedersachsen für die Zulassung zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit gegenüber auf ihre Zulassung und führte zur Begründung u.a. an, die neuerliche Bema-Umstrukturierung 2004 mit dem im Januar 2004 erlassenen Gesundheitsmodernisierungsgesetz stelle eine derartige neuerliche Negativeinwirkung auf ihre Praxis dar, dass sie mit der Rückgabe ihrer Zulassung hoffe, wieder mehr persönlichen Handlungsspielraum für individuelle Entscheidungen zu gewinnen. Der Zulassungsausschuss stellte mit Beschluss vom 28. April 2004 fest, dass ihre Zulassung mit dem 30. Juni 2004 ende.
Mit Bescheid vom 03. Juni 2004 stellte das Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit des Beigeladenen zu 8. (im Folgenden: Ministerium) fest, dass in den drei niedersächsischen Planungsbereichen Landkreis C, Landkreis H und Landkreis Hi insgesamt 23 (in Niedersachsen insgesamt: 41) und damit jeweils mehr als 50 % aller dort niedergelassenen Vertragszahnärzte, die kieferorthopädische Leistungen erbringen, in einem mit anderen Zahnärzten aufeinander abgestimmten Verfahren oder Verhalten auf ihre Zulassung zum 30. Juni 2004 nach § 95 b Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) verzichtet hätten und dadurch die vertragszahnärztliche kieferorthopädische Versorgung ab 01. Juli 2004 dort nicht mehr sichergestellt sei. Die Annahme eines aufeinander abgestimmten Verhaltens ergebe sich aus dem zeitlichen und inhaltsgleichen Zusammentreffen der Zulassungsverzichte sowie der zahlreichen gemeinsam von den Kieferorthopäden und den zahnärztlichen und fachzahnärztlichen Berufsvertretungen öffentlichkeitswirksam erkennbar gewordenen Erklärungen und Meinungsäußerungen. Im Landkreis Hi hätten 8 von 11 Vertragszahnärzten auf ihre Zulassung verzichtet, darunter die Klägerin zu 1. Die ursprünglich von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV; Klägerin zu 2.) hiergegen erhobene Klage ist wieder zurückgenommen worden.
Mit Schreiben vom 17. August 2004 beantragte die Klägerin zu 1. beim Zulassungsausschuss ihre erneute Zulassung zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit. Mit Beschluss vom 22. September 2004 lehnte der Zulassungsausschuss den Antrag ab und berief sich zur Begründung darauf, dass die Feststellung der Aufsichtsbehörde nach § 72 a Abs. 1 SGB V gemäß § 95 b Abs. 2 SGB V zur Folge habe, dass eine erneute Zulassung frühestens nach Ablauf von 6 Jahren nach Abgabe der Verzichtserklärung erteilt werden könne. Hiergegen legte die Klägerin zu 1. am 28. September 2004 Widerspruch ein, den sie am 15. Oktober 2004 begründete. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Beschluss vom 08. Dezember 2004 zurück. Für die Klägerin zu 1. gelte die Sperre des § 95 b Abs. 2 SGB V. Mit der Verfügung des Ministeriums vom 03. Juni 2004 sei davon auszugehen, dass alle dort aufgeführten 41 Kieferorthopäden ihren Verzicht in einem aufeinander abgestimmten Verfahren abgegeben hätten. Demzufolge sei es zur Feststellung nach § 72 a Abs. 1 SGB V gekommen.
Hiergegen hat die Klägerin zu 1. am 27. Dezember 2...