Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. häusliche Krankenpflege. Erbringung behandlungspflegerischer Maßnahmen (hier: Verabreichen von Medikamenten sowie An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen) in einer Einrichtung für alleinstehende wohnungslose Männer in besonderen sozialen Schwierigkeiten. Abgrenzung der Leistungspflicht im sozialhilferechtlichen Dreieckverhältnis. Maßgeblichkeit der gesetzlichen Bestimmungen und der vertraglichen Ausgestaltung im Einzelfall
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Anspruch auf häusliche Krankenpflege gemäß § 37 Abs 2 SGB V in Form des Verabreichens von Medikamenten und des An- und Ausziehens von Kompressionsstrümpfen in einer Einrichtung für alleinstehende wohnungslose Männer in besonderen sozialen Schwierigkeiten.
2. Maßgeblich sind nicht die faktischen Bedingungen, sondern die gesetzlichen Bestimmungen und die vertragliche Ausgestaltung im sozialhilferechtlichen Dreieckverhältnis zwischen dem Versicherten, dem Sozialhilfeträger und dem Einrichtungsträger. Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Einrichtung die konkrete behandlungspflegerische Maßnahme nach ihrem Aufgabenprofil, der Ausrichtung auf den zu betreuenden Personenkreis und aufgrund ihrer vorgesehenen sächlichen und personellen Ausstattung selbst zu erbringen hat (BSG vom 19.4.2023 - B 3 KR 7/22 R = SozR 4-1500 § 75 Nr 38).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 2. Juli 2021 wird zurückgewiesen.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 2. Juli 2021 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger zwei Drittel seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Freistellung von Kosten für häusliche Krankenpflege.
Der am L. 1935 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er lebt seit Oktober 1995 im „Haus M.“, einer auf diakonischer Grundlage geführten Einrichtung des Beigeladenen zu 1., die alleinstehenden wohnungslosen Männern in besonderen sozialen Schwierigkeiten persönliche Hilfe und Unterkunft bietet. Der Kläger erhält von der Beigeladenen zu 2. laufend Hilfe in sonstigen Lebenslagen nach § 73 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Zwischen dem Beigeladenen zu 1. und der Beigeladenen zu 2. besteht eine am 28. Dezember 2004 abgeschlossene Leistungsvereinbarung gemäß § 75 Abs 3 SGB XII über die Hilfe gemäß §§ 19, 35 iVm § 73 SGB XII (im Folgenden: Leistungsvereinbarung). In dieser Vereinbarung ist unter anderem Folgendes geregelt:
[…]
2. Personenkreis und Aufnahme-/Ausschlusskriterien
[…]
2.1.1 Hilfeberechtigte im Anschluss an Hilfe gem. §§ 67 ff. SGB XII
Hilfe zum Lebensunterhalt nebst Hilfe in sonstigen Lebenslagen in der Einrichtung erhalten Personen, die vor der Aufnahme Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten gem. §§ 67 ff. SGB XII im Bereich der Region N. erhalten haben, bei denen jedoch weiterhin ein stationärer Betreuungsbedarf vorliegt, obwohl der Hilfeprozess nach §§ 67 ff. SGB XII abgeschlossen ist.
2.1.2 Hilfeberechtigte im Anschluss an Hilfe gem. §§ 53 ff. SGB XII
Hilfe zum Lebensunterhalt nebst Hilfe in sonstigen Lebenslagen in der Einrichtung erhalten ferner Personen im Anschluss an Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, wenn die Hilfeziele nach dieser Hilfe nicht erreicht werden konnten bzw. diese nicht angenommen wurden und für diese Hilfe die Zuständigkeit der Region N. in ihrer Eigenschaft als örtlicher Träger der Sozialhilfe oder der Region N. bzw. die Landeshauptstadt Hannover in ihrer Eigenschaft als herangezogene Gebietskörperschaft vorlag.
[…]
2.3 Ausschlusskriterien
Nicht aufgenommen werden Personen mit einer Einstufung als Pflegebedürftige nach dem SGB XI ab Pflegestufe I sowie Personen, die ohne Einstufung dauerhaft pflegebedürftig sind.
[…]
3.3 Inhalt der Leistung
Grundsätzliches
Der Sozialhilfeträger gewährt Hilfe zum Lebensunterhalt nebst Hilfe in sonstigen Lebenslagen im Heim für den unter Ziffer 2.1 genannten Personenkreis.
Die Aufgabe des Einrichtungsträgers ist darauf gerichtet, Notlagen der Hilfeberechtigten durch Zurverfügungstellen von Unterkunft, Versorgung und persönlicher Unterstützung entgegenzuwirken.
[…]
3.3.1 Direkte Leistungen
3.3.1.1 Beratung und persönliche Unterstützung
Zur Beratung und Unterstützung gehören vor allem eine Stabilisierung der persönlichen Situation und das Angebot einer konstanten sozialen Beziehung sowie alle in Frage kommenden Hilfen zur Bewältigung des Alltags in der Einrichtung und zur Freizeitgestaltung sowie Übernahme von Unterstützungsleistungen wie Wäschepflege und Zimmerreinigung.
Zur Beratung und Unterstützung gehören ferner die Hilfen in Behördenangelegenheiten, Realisierung von finanziellen Ansprüchen, Hilfen bei der hygienischen und gesundheitlichen Grundversorgung, Hilfen beim Umgang mit Suchtproblemen und die Vermittlung weiterführender gee...