Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. traumatischer Leistenbruch. haftungsbegründende Kausalität. Wahrscheinlichkeit. wesentliche Ursache. Anlageleiden. Waldarbeiter
Leitsatz (amtlich)
Zum Ursachenzusammenhang zwischen Waldarbeiten und einem dabei aufgetretenen Leistenbruch.
Orientierungssatz
Ein von außen kommendes (Unfall)ereignis als Ursache für das Entstehen eines traumatischen Leistenbruchs kann nur angenommen werden, wenn es infolge einer stumpfen oder spitzen Krafteinwirkung zu einer lokalen Schädigung der Bauchdecke mit einer Erhöhung des Bauchdrucks kommt. In diesem Fall sind allerdings Ödeme, Blutungen oder sichtbare Zerreißungen der Bauchwand zu erwarten.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lüneburg vom 12. März 2019 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.
Der 1957 geborene Kläger ist als Eigentümer eines Waldstücks bei der Beklagten gesetzlich unfallversichert. Am 26. September 2016 versuchte er, bei Aufräumarbeiten in seinem Wald ein schweres Holzstück anzuheben. Dabei spürte er ein Ziehen im Unterleib, aus dem sich in den nächsten Tagen stärkere Beschwerden entwickelten. Der behandelnde Facharzt für Allgemeinmedizin E. diagnostizierte eine Hernia inguinalis (Leistenbruch) links (Bericht vom 24. November 2016). Diese wurde am 19. Oktober 2016 im F. Klinikum G. durch eine laparoskopische Hernioplastik (TAPP) operativ behoben (Operationsbericht des Chirurgen H. vom 20. Oktober 2016).
Nachdem der Kläger die Beklagte über den Vorfall in Kenntnis gesetzt hatte (Schreiben vom 30. September 2016), lehnte diese mit Bescheid vom 10. Oktober 2016 die Entschädigung des Ereignisses ab, weil kein Arbeitsunfall iS des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) vorgelegen habe.
Auf den Widerspruch des Klägers holte sie eine Stellungnahme ihres beratenden Arztes Dr. I. ein, der unter dem 18. März 2017 ausführte, das beschriebene Ereignis sei nach Art und Hergang nicht geeignet, eine traumatische Leistenhernie hervorzurufen. Die Beklagte wies den Widerspruch daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2017 zurück. Nach der vorliegenden Hergangsschilderung habe kein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis stattgefunden und das beschriebene Ereignis sei nach Art und Hergang nicht geeignet gewesen, eine traumatische Leistenhernie hervorzurufen. Grundsätzlich sei eine unfallbedingte Hernie durch Blutungen, Zerreißungen oder Hämatome und einen Riss in der Bauchwand gekennzeichnet und ihr Auslöser sei ein Stoß, Tritt oder Stich in den Unterleib mit nachfolgender Rissbildung. Eine solche Krafteinwirkung könne im vorliegenden Fall jedoch ausgeschlossen werden, weil das Anheben des Holzstückes nur zur natürlichen Erhöhung des Druckes im Bauchraum selbst geführt habe. Dies werde nach Auswertung der medizinischen Unterlagen, insbesondere des Operationsberichts - in dem eine deutliche Ausdünnung des Bauchfells beschrieben sei -, durch den Beratungsarzt Dr. I. bestätigt. Deshalb sei davon auszugehen, dass der festgestellte Gesundheitsschaden nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit traumatisch entstanden sei. Das auslösende Ereignis in diesem Fall sei als Gelegenheitsereignis zu betrachten, da eine andere Belastung im Alltag innerhalb eines kurzen überschaubaren Zeitraums eine gleiche Verletzung hätte auslösen können.
Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 10. Mai 2017 Klage erhoben, die am 11. Mai 2017 beim Sozialgericht (SG) Lüneburg eingegangen ist. Zur Begründung hat er ausgeführt, zwischen dem Vorfall vom 26. September 2016 und seinem Leistenbruch bestehe ein naturwissenschaftlicher Ursachenzusammenhang, der sich aus einer schlichten Zugbelastung ergebe. Hierin sei keine innere Ursache, sondern eine äußere Krafteinleitung durch den Arbeitsprozess zu sehen. Ausschließlich einen Schlag als Zerreißungsursache zu fordern, sei deshalb falsch. Die von der Beklagten aufgestellte Behauptung, der gleiche Leistenbruch hätte auch im Alltag vorkommen können, sei hochgradig hypothetisch. Da bei ihm in den letzten 59 Jahren kein Leistenbruch oä aufgetreten sei, gebe es auch keine Vorschädigung. Auch seinem Hausarzt E. sei keine Bindegewebsschwäche bekannt (im Klageverfahren vorgelegtes Attest vom 18. Januar 2018). Der Operateur H. habe nach eigenen Angaben nur deshalb ein dünnes Peritoneum festgestellt, weil dahinter das Netz habe installiert werden müssen. Da Leistenbrüche fast ausschließlich bei Männern auftreten, stelle die pauschale Ablehnung im Übrigen eine massive geschlechtsspezifische Diskriminierung dar.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12. März 2019 abgewiesen. Die sich aus dem Gesetz und der hierzu ergangenen Rechtsprechung ergebenden Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls lägen nicht vor, weil ein wesentlicher Beitrag des Ereignisses vom 26. September 2016 an dem streitge...