Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. darlehensweise Übernahme von Mietschulden. Sicherung der Unterkunft. Begleichung der Mietschulden durch Aufnahme eines Privatdarlehens bei einem Dritten

 

Orientierungssatz

1. Ein Anspruch auf Übernahme von Schulden nach § 22 Abs 8 SGB 2 scheidet nicht schon dann aus, wenn der Hilfebedürftige nach der maßgeblichen Antragstellung mit Hilfe eines anderweitig beschafften Darlehens die Unterkunft durch Zahlung der geschuldeten Summe gegenüber dem Vermieter gesichert hat (vgl BSG vom 17.6.2010 - B 14 AS 58/09 R = BSGE 106, 190 = SozR 4-4200 § 22 Nr 41, RdNr 11).

2. Eine Übernahme von Schulden kommt vielmehr in Betracht, wenn diese zunächst beantragt, der Träger der Grundsicherung über den Antrag aber nicht rechtzeitig entschieden oder den Antrag rechtswidrig abgelehnt hatte (vgl BSG vom 17.6.2010 - B 14 AS 58/09 R aaO).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 13.07.2022; Aktenzeichen B 7/14 AS 52/21 R)

BSG (Beschluss vom 06.08.2021; Aktenzeichen B 14 AS 377/20 B)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Gewährung eines nachträglichen Darlehens für den Bedarf für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 1.420 € gemäß § 22 Abs. 8 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Die 1956 geborene, alleinstehende Klägerin arbeitete zunächst als Reinigungskraft und bezog anschließend seit 24. März 2014 bis 10. August 2015 Krankengeld seitens der J. in Höhe von 11,43 € netto kalendertäglich. Sie erhielt vom 1. August 2014 bis zum 31. Januar 2015 zusätzlich unterhaltssichernde Leistungen nach dem SGB II - Bescheid des Beklagten vom 13. August 2014. Die Mietzahlungen für die von der Klägerin bewohnte Wohnung an der K. in L. (260 € Grundmiete, 95 € Nebenkosten) erfolgten seitens des Beklagten direkt an den Vermieter. Nach Ablauf des Bewilligungszeitraums stellte die Klägerin zunächst keinen Fortzahlungsantrag, so dass auch keine Leistungen ab 1. Februar 2015 bewilligt wurden und die Auszahlung der Miete seitens des Beklagten an den Vermieter der Klägerin unterblieb. Erst am 29. Juni 2015 reichte sie einen Weiterbewilligungsantrag bei dem Beklagten ein. Ihr wurden daraufhin mit Bescheid vom 22. September 2015 Leistungen vom 1. Juni 2015 bis zum 31. Dezember 2015 unter Anrechnung des bis 10. August 2015 gezahlten Krankengeldes bewilligt. Der Beklagte berücksichtigte hierbei einen Regelbedarf in Höhe von 399 €, einen Mehrbedarf bei dezentraler Warmwassererzeugung in Höhe von 9,18 € und Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 355 €. Er zahlte die Kosten der Unterkunft und Heizung rückwirkend ab 1. Juni 2015 an den Vermieter der Klägerin aus. Zwischenzeitlich hatte der Vermieter der Klägerin mit Schreiben vom 19. August 2015 die Kündigung ihrer Wohnung angedroht. Nachdem der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Beklagten auf den entstandenen Mietrückstand und die drohende Obdachlosigkeit der Klägerin mehrfach schriftlich hingewiesen hatte, hatte der Beklagte mit Schreiben vom 3. September 2015 einen Nachweis über die entstandenen Mietschulden sowie ggf. über eine bereits bestehende Räumungsklage und Bestätigung, dass diese bei Zahlung der Mietschulden ausgesetzt werde, verlangt.

Den am 19. August 2015 gestellten Antrag auf (nachträgliche) Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II seit dem 1. Februar 2015 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 22. September 2015 ab, weil der Antrag nur auf den Monatsersten zurückwirken könne (§ 37 Abs. 2 SGB II). Er teilte zugleich mit, dass Kosten der Unterkunft und Heizung bei drohendem Verlust des Wohnraumes für den Zeitraum vom 1. Februar 2015 bis zum 31. Mai 2015 als Darlehen erbracht werden könnten. Die Klägerin erhob gegen den Ablehnungsbescheid vom 22. September 2015 am 23. September 2015 Widerspruch und beantragte hilfsweise die Gewährung eines Darlehens für die im Zeitraum vom 1. Februar 2015 bis 31. Mai 2015 zu zahlenden Kosten der Unterkunft und Heizung. Mit Schreiben vom 6. Oktober 2015 bat der Beklagte wegen des Darlehensantrages um Mitteilung der konkreten Höhe der Mietschulden und um Vorlage von Nachweisen über einen unabweisbaren Bedarf (drohende Obdachlosigkeit, Räumungsklage, Bestätigung, dass diese bei Zahlung der Mietschulden ausgesetzt werde) bis zum 23. Oktober 2015. Den Widerspruch gegen die Leistungsablehnung wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Oktober 2015 zurück; soweit ersichtlich, ist dagegen keine Klage erhoben worden.

Daraufhin legte die Klägerin am 9. Oktober 2015 die fristlose Kündigung ihres Vermieters vom 5. Oktober 2015 vor, die wegen Mietrückständen in Höhe von insgesamt 2.295 € im Zeitraum von Januar bis Oktober 2015 ausgesprochen worden war. Der Beklagte bat mit Schreiben vom 16. Oktober 2015 um Klärung, da für den Zeitraum seit Juni 2015 die Miete vollständig seitens des Beklagten an den Vermieter überwiesen worden war, sowie um Vorlage einer Bestätigung, dass mit der Ge...

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