Entscheidungsstichwort (Thema)

Kassenärztliche Vereinigung. Honorarberichtigung bzw -rückforderung bei missbräuchlicher Nutzung der Kooperationsform Praxisgemeinschaft. Begriff der Gemeinschaftspraxis und Praxisgemeinschaft

 

Orientierungssatz

1. Eine Kassenärztliche Vereinigung darf das Honorar eines Vertragsarztes berichtigen und gegebenenfalls zurückfordern, wenn sich dieser durch eine missbräuchlich gestaltete Zusammenarbeit mit seinem Praxisgemeinschaftspartner Honorarvorteile verschafft hat, die er bei einer pflichtgemäßen Zusammenarbeit innerhalb der Praxisgemeinschaft nicht hätte erlangen können.

2. Zum Begriff der Gemeinschaftspraxis und der Praxisgemeinschaft.

3. Zur missbräuchlichen Nutzung der Kooperationsform Praxisgemeinschaft.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 11.05.2011; Aktenzeichen B 6 KA 1/11 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hannover vom 25. April 2007 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 8.306,04 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Honorarrückforderung.

Der Kläger nimmt als Facharzt für Allgemeinmedizin mit Sitz in F. /Niedersachsen an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Seit dem 1. April 2001 betreibt er dort eine Praxisgemeinschaft mit dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. G.

Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) stellte im Rahmen einer erweiterten Plausibilitätsprüfung zum Quartal I/2002 fest, dass in diesem Zeitraum 661 von 1.108 Patienten des Klägers auch bei dessen Praxisgemeinschaftspartner in Behandlung waren (Patientenidentität von 59,66 %). Dabei rechneten beide Vertragsärzte ihre Behandlungsleistungen für die überwiegende Anzahl der gemeinsam behandelten Patienten als eigene Leistungen ab, teilweise auch als Vertretungsleistungen.

Aufgrund der hohen Patientenidentität innerhalb der Praxisgemeinschaft berichtigte die Beklagte die Honorarabrechnung des Klägers für das Quartal I/2002 um insgesamt 8.306,04 Euro (Bescheid vom 22. Juni 2004). Anhand der Abrechnungsdaten und der Überprüfung von 45 stichprobenhaft ausgewählten Beispielsfällen zeige sich, dass der Behandlungsablauf in der Praxisgemeinschaft arbeitsteilig wie in einer genehmigungspflichtigen Gemeinschaftspraxis und damit pflichtwidrig organisiert sei. Daher könne der Kläger für seine vertragsärztliche Tätigkeit im überprüften Quartal nur den fallwertbezogenen Anteil an der Vergütung einer hypothetischen Gemeinschaftspraxis beanspruchen. Die Differenz zwischen den Honorarabrechnungen der Praxisgemeinschaftspartner und dem Vergütungsanspruch einer hypothetischen Gemeinschaftspraxis betrage 17.827,95 Euro; für den Kläger ergebe sich eine sachlich-rechnerische Berichtigung seines Honorars in Höhe des streitbefangenen Betrags. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 6. September 2005, dem Kläger zugestellt am 8. September 2005).

Der Kläger hat am 10. Oktober 2005 (montags) Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben, die das SG durch Gerichtsbescheid vom 25. April 2007 unter Hinweis auf die Begründung im angefochtenen Widerspruchsbescheid abgewiesen hat.

Gegen diesen Gerichtsbescheid (zugestellt am 7. Mai 2007) wendet sich der Kläger mit seiner Berufung vom 7. Juni 2007. Er macht im Wesentlichen geltend, seine Praxisgemeinschaft auch als eine solche geführt zu haben. Er und sein Praxisgemeinschaftspartner hätten jeweils zwei Arzthelferinnen beschäftigt und unterschiedliche Patientenkarteien geführt. Weiter hätten sich die Patienten - nach einem entsprechenden Hinweis - im Rahmen der freien Arztwahl für einen der beiden Ärzte entscheiden müssen; auf diese Weise habe er einen Patientenstamm sukzessive übernommen und von diesem Zeitpunkt an auch weiter betreut. Aus den von der Beklagten stichprobenhaft ausgewählten Beispielsfällen ergebe sich nichts anderes; die Patientenidentität erkläre sich in diesen Fällen entweder durch eine erforderliche Vertretung des ortsabwesenden Hausarztes, einen besonderen Behandlungswunsch des Patienten oder durch den chirotherapeutischen Behandlungsschwerpunkt von Dr. G. Daneben hätten die Praxisgemeinschaftspartner die Bereitschaftsdienste regelmäßig in zwei Schichten von Freitag 15:00 Uhr bis Sonntag 9:00 Uhr sowie von Sonntag 9:00 Uhr bis Montag 8:00 Uhr aufgeteilt. Daher seien ärztliche Leistungen innerhalb des Bereitschaftsdienstes uU von beiden Praxisgemeinschaftspartnern für denselben Patienten abgerechnet worden. Im Übrigen gehe die Beklagte im Quartal I/2002 zu Unrecht von einer erhöhten Patientenidentität aus. Die in diesem Zeitraum gemeinsamen behandelten Patienten könnten schon denklogisch nicht beiden Praxisgemeinschaftspartnern zugeordnet werden, da für eine sogenannte Doppelbehandlung nur der Vertragsarzt verantwortlich sei, der die zweite Behandlung durchführe. Daher müssten die Doppelbehandlungsfälle anteilig auf die Gesamtanzahl der jeweils...

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