Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Angemessenheitsgrenze für die Stadt Wilhelmshaven. eigene Ermittlungen des Grundsicherungsträgers. örtlicher Wohnungsmarkt. Produkttheorie. Quadratmeterpreis. keine Durchschnittsmieten. Ermittlungskonzept. fehlerhafte Berechnung. keine Anwendung der Wohngeldtabelle
Orientierungssatz
1. Auch umfangreiche Ermittlungen des Grundsicherungsträgers können eine ausreichende Grundlage für die Feststellung der Beschaffenheit des örtlichen Wohnungsmarktes sein (Anschluss an BSG vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R).
2. Die Bestimmung von Durchschnittsmieten als Grenze der Angemessenheit ist nicht geeignet, das örtlich angemessene Mietniveau iS von § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 abzubilden. Nach der Produkttheorie ist das örtlich angemessene Mietniveau anhand eines Quadratmeterpreises zu bemessen.
3. Zu der Frage, wie vorzugehen ist, wenn der Grundsicherungsträger einerseits ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der Beschaffenheit des örtlichen Wohnungsmarktes zugrunde gelegt und umgesetzt hat, dabei andererseits jedoch die Berechnung der Angemessenheitsgrenze nach der Produkttheorie fehlerhaft erfolgt ist.
4. Zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten ist nicht auf die Tabellenwerte des § 8 WoGG 2 abzustellen. Diese Werte können nur dann herangezogen werden, wenn lokale Erkenntnismöglichkeiten nicht weiterführen (vgl BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R und vom 18.6.2008, aaO).
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 6. März 2008 aufgehoben.
Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin in der Zeit vom 1. November bis 31. Dezember 2006 Leistungen unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft in Höhe von 283,00 € und der anerkannten Heizkosten pro Monat, in der Zeit vom 1. bis 31. Januar 2007 Leistungen unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft in Höhe von 300,40 € und der anerkannten Heizkosten pro Monat sowie in der Zeit vom 1. Februar bis 30. April 2007 Leistungen unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft in Höhe von 290,00 € und der anerkannten Heizkosten pro Monat zu gewähren.
Der Bescheid des Beklagten vom 18. Oktober 2006 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2006) wird geändert, soweit er dem entgegensteht.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, in welcher Höhe der Beklagte die Kosten übernehmen muss, die der Klägerin für die Unterkunft in der Zeitspanne vom 1. November 2006 bis zum 30. April 2007 entstanden sind.
Die 1956 geborene Klägerin bewohnte seit November 1991 eine 54,59 qm große Dreizimmerwohnung in Wilhelmshaven. Seit 2005 betrug die Bruttokaltmiete 292,16 Euro im Monat. Bis zum 30. April 2006 bezog die Klägerin Arbeitslosengeld. Seit dem 1. Mai 2006 bezieht sie ergänzende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) von dem Beklagten. Mit Schreiben vom 28. März 2006 forderte der Beklagte die Klägerin zur Senkung ihrer Unterkunftskosten bis zum 31. Oktober 2006 auf. Sofern die Kosten nicht bis zu diesem Datum gesenkt und auch keine Nachweise über entsprechende Bemühungen vorgelegt würden, würden zukünftig nur noch die angemessenen Unterkunftskosten in Höhe von 252,00 Euro übernommen. Zum 1. September 2006 wurde die Kaltmiete der Klägerin um 8,24 Euro angehoben; die Bruttokaltmiete betrug nunmehr 300,40 Euro (Kaltmiete 228,20 Euro, Zuschlag für Kabelnutzungsgebühr 6,60 Euro, Zuschlag für Betriebskosten 60,60 Euro und Thermengebühr 5,00 Euro, Quadratmeterpreis 5,50 Euro).
Mit Bescheid vom 18. Oktober 2006 bewilligte der Beklagte der Klägerin auf ihren Fortzahlungsantrag vom 27. September 2006 für die Zeit vom 1. November 2006 bis zum 30. April 2007 Leistungen in Höhe von 825,00 Euro monatlich. Dabei wurden nunmehr nur noch Kosten der Unterkunft in Höhe von 259,00 Euro berücksichtigt (zzgl. 61,00 Euro für Heizkosten, insg. 320,00 Euro für Unterkunft und Heizung). Den hiergegen am 1. November 2006 erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin mit der entgegenstehenden Rechtsprechung des 8. Senats des erkennenden Gerichts (Beschl. v. 28. November 2005 - L 8 AS 181/05 ER -, in: FEVS 57, 550-553).
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2006 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung erklärte der Beklagte, gemäß der Richtlinie der Stadt Wilhelmshaven seien die Höchstbeträge für Unterkunftskosten nach Auswertung der örtlichen Angebote für die Zeit ab dem 1. Oktober 2006 auf nunmehr 259,00 Euro festgesetzt worden. Die Klägerin sei auch darauf hingewiesen worden, dass sie ihre Unterkunftskosten senken müsse. Es könne der Allgemeinheit nicht dauerhaft zugemutet werden, die überhöhten Unterkunftskosten der Klägerin zu tragen.
Gegen den ihr am 1. Dezember 2006 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin ...