Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Unzulässigkeit und Missbräuchlichkeit von Ablehnungsgesuchen von Verfahrensbeteiligten. Honorarverteilungsvertrag. Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung. Ausformung von Honorarverteilungsvorgaben. Gestaltungsfreiheit. kein Anspruch auf Erhaltung von Verdienstchancen

 

Orientierungssatz

1. Ablehnungsgesuche von Verfahrensbeteiligten sind missbräuchlich und damit unzulässig, wenn sie allein in Verschleppungsabsicht gestellt sind oder der Antragssteller sonstige verfahrensfremde Zwecke - beispielsweise: Richter mit einer missliebigen Rechtsansicht auszuschalten - verfolgt.

2. Die den Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen bei der Ausformung der Honorarverteilungsvorgaben eingeräumte Gestaltungsfreiheit erlaubt auch die Entscheidung darüber, ob sie allen Vertrags(zahn)ärzten in gleichem Umfang Honorarreduzierungen zumuten oder ob sie den Anreiz, mehr Leistungen zu erbringen, bei größeren Praxen stärker reduzieren wollen als bei kleineren (vgl BSG vom 8.2.2006 - B 6 KA 25/05 R = BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23).

3. Ein Besitzstand in der Form, dass jedem Vertrags(zahn)arzt die Chance erhalten bleiben müsse, seine Leistungen auch zukünftig im bisherigen Umfang vergütet zu erhalten, besteht nicht. Die Erhaltung von Verdienstchancen kann weder aus Art 14 Abs 1 GG noch aus Art 12 Abs 1 GG abgeleitet werden (vgl BSG vom 8.2.2006 - B 6 KA 25/05 R aaO)

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 09.02.2011; Aktenzeichen B 6 KA 52/10 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 21. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen, der seine Kosten selbst trägt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 4.064,72 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe des von der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) für das Jahr 2005 gegenüber dem Kläger festgesetzten Honorars.

Der Kläger nimmt als Zahnarzt mit Sitz in B an der vertragszahnärztlichen Versorgung in Niedersachsen teil. In 2005 rechnete er vertragszahnärztliche Leistungen iH von insgesamt 185.477,38 Euro ab.

Mit Bescheid vom 23. März 2006 setzte die beklagte KZV den Jahreshonoraranspruch des Klägers demgegenüber iH von 182.024,49 Euro abzüglich anteiliger Verwaltungskosten iH von 2.596,68 Euro fest. Grundlage hierfür war der zwischen der beklagten KZV und den Krankenkassen bzw. ihren Verbänden vereinbarte Honorarverteilungs- und Degressionsvertrag 2005 (HVV). Danach erfolgt die Honorarzuteilung nach Art und Umfang der von jedem einzelnen Vertragszahnarzt abgerechneten Leistungen (Punktzahl multipliziert mit Punktwert zuzüglich punktwertunabhängiger Honorare) nach den geltenden Verteilungspunktwerten. Die Verteilungspunktwerte ergeben sich für 2005 in jeder Kassenart durch Absenkung der ab 1. Juli 2004 für niedersächsische Krankenkassen angewandten Verteilungspunktwerte um 3 vH (§ 2 Abs 1 HVV). Dabei erhält jeder Vertragszahnarzt eine Honorarzuteilung iH von 60 vH des nach Abs 1 ermittelten Abrechnungsergebnisses. Davon werden 30 vH desjenigen Betrages in Abzug gebracht, um die das Abrechnungsergebnis oberhalb des doppelten arithmetischen Mittels der Vorjahresabrechnungsergebnisse aller im Vorjahr an der Honorarverteilung teilnehmenden Vertragszahnärzte liegt. Darüber hinaus erhält der Vertragszahnarzt bis zu einem Grenzwert eine weitere Honorarzuteilung von 40 vH des nach Abs 1 ermittelten Abrechnungsergebnisses (§ 2 Abs 2 S 1 und 2 HVV). Die Höhe des Grenzwerts wird ermittelt, indem die Summe der nach den S 1 bis 3 zugeteilten Honoraren der zu verteilenden Honorarmenge entspricht.

Der vom Kläger gegen den Jahreshonorar- und Degressionsbescheid 2005 fristgemäß erhobene Widerspruch blieb erfolglos. Der HVV entspreche dem strukturgleichen Honorarverteilungsmaßstab (HVM) 1999. Dessen Verteilungskriterien stünden mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Einklang (Widerspruchsbescheid vom 17. August 2006).

Der Kläger hat am 12. September 2006 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben. In allen seinen gegen die Honorarverteilung 2000 bis 2005 gerichteten Klagen hat er in der Sache im Wesentlichen geltend gemacht, die Honorarverteilungsvorgaben der Beklagten für die Jahre 1999 bis 2005 seien nichtig; dies habe das Niedersächsische Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales für den HVM 1999 bereits festgestellt. Zulässig sei allein ein floatender Punktwert. Auf dieser Grundlage habe er seinerzeit wirtschaftliche Dispositionen getroffen, die sich angesichts der jetzigen Verteilungskriterien als eine Fehlentscheidung erwiesen hätten. Seine Kredite, die er im Hinblick auf die Auskünfte des Ministeriums für den Kauf seiner Zahnarztpraxis aufgenommen habe, könne er nicht bedienen. Im Übrigen habe das Ministerium durch seine Rechtsauskünfte einen Vertrauenstatbestand geschaffen, an dem sich die Beklagte festhalten lassen müsse.

Die Honorarverteilungsvorgaben...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge