Rechtskraft: ja
Entscheidungsstichwort (Thema)
Heilmittel. Hilfsmittel. Schulterbewegungschiene. motorisierte Schulterbewegungsschiene. CPM-Bewegungsschiene. Bewegungsschiene. Notwendigkeit. medizinischer Standard. Qualitätsstandard
Leitsatz (amtlich)
Eine Versicherte hat keinen Anspruch auf Versorgung mit einer CPM-Bewegungsschiene nach einer Schulteroperation (Acromioplastik-Operation).
Normenkette
SGB V § 2 Abs. 1 S. 3, § 12 Abs. 1, § 32 Abs. 1, § 33 Abs. 1; SGB X § 34 Abs. 1
Verfahrensgang
SG Lüneburg (Urteil vom 16.10.2003; Aktenzeichen S 9 KR 56/02) |
Tenor
DasUrteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 16. Oktober 2003 wird aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind in keinem Rechtszug zu erstatten.
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Versorgung mit einer motorisierten Schulterbewegungsschiene (CPM-Bewegungsschiene, CPM = continous passive motion).
Bei der im Oktober 1942 geborenen Klägerin diagnostizierte der Chirurg Prof. Dr. E. ein Impingement der rechten Schulter. Er verordnete mit Datum vom 25. September 2001 eine motorisierte Schulterbewegungsschiene für die Dauer von 4 Wochen. Das Kassenrezeptformular war mit dem Zusatz versehen: „Dieses Rezept ist nach § 12 SGB V nicht erstattungsfähig”. Der Beklagten wurde ferner ein Kostenvoranschlag der Firma F., – CPM-Schienenverleih – vom 30. Oktober 2001 vorgelegt, wonach sich die Miete für das Gerät für vier Wochen auf 1.100,– DM belief.
Am 23. Oktober 2001 wurde bei der Klägerin eine Acromioplastik-Operation durchgeführt. Prof. Dr. E. erläuterte in seiner Stellungnahme vom 20. Dezember 2001, dass am Tage nach der Operation eine krankengymnastische Übungsbehandlung beginnen müsse, um eine Einsteifung der Schulter zu vermeiden. Die Bewegung der Schulter dürfe dabei für einen Zeitraum von 4 bis 6 Wochen nur passiv erfolgen, weil sonst die angenähten Sehnen reißen könnten. Daher sei 4x täglich eine Behandlung mit der motorisierten Schulterbewegungsschiene über einen Zeitraum von 30 Minuten erforderlich. Außerdem sei krankengymnastische Übungsbehandlung zu verordnen.
Mit Bescheid vom 14. November 2001 lehnte die Beklagte die Versorgung der Klägerin mit einer motorisierten Schulterbewegungsschiene ab, weil diese als Hilfsmittel noch nicht anerkannt sei. Auf den Widerspruch der Klägerin vom 15. November 2001, bei der Beklagten eingegangen am 19. November 2001, schaltete die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Niedersachsen (MDKN) ein. Dr. G. erläuterte in seinem Gutachten vom 14. Januar 2002, dass die CPM-Bewegungsschienen nach ihren technischen Gegebenheiten nicht sicher seien. Sie seien als Hilfsmittel auch nicht anerkannt. Statt dessen seien der Klägerin ambulante Krankengymnastik und sonstige physikalische therapeutische Maßnahmen zu verordnen.
Auf dieser Grundlage wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 27. Februar 2002 zurück. Kein auf dem Markt befindliches Produkt erfülle derzeit die Funktionskriterien und sicherheitstechnischen Kriterien, die im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt seien. Speziell im Bereich der Schulterbewegungsschienen könne lediglich ein Teil der üblichen und notwendigerweise zu beübenden Bewegungsmaßnahmen ausgeführt werden. Ferner sei zu bedenken, dass Änderungen in der Einstellung des Gerätes vorzunehmen seien, um Bewegungsfortschritte zu erreichen. Dies der Eigenverantwortung der Versicherten zu überlassen, könne möglicherweise sogar zu Gesundheitsschäden führen.
Mit ihrer am 25. März 2002 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass die CPM-Bewegungsschiene medizinisch nur zur postoperativen Behandlung erforderlich gewesen sei. Sie habe im Übrigen das von Prof. Dr. E. ausgestellte Rezept nie gesehen, sondern habe die CPM-Bewegungsschiene leihweise entgegengenommen und nach Ablauf der vier Wochen im November 2001 wieder zurückgegeben. Im Januar 2002 habe sie dann eine Rechnung der Firma F. – CPM-Schienenverleih – über einen Betrag von 1.100,– DM (= 562,42 EUR) erhalten, die sie Anfang Februar 2002 beglichen habe.
Das Sozialgericht (SG) Lüneburg hat der Klage durch Urteil vom 16. Oktober 2003 stattgegeben, die Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, der Klägerin den verauslagten Betrag zu erstatten. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der behandelnde Arzt die CPM-Bewegungsschiene auf Kassenrezept verordnet habe und diese sodann nach der Operation der Klägerin im Krankenhaus ausgehändigt worden sei. Für die Klägerin habe sich der Vorgang nach allem so dargestellt, dass ihr die CPM-Bewegungsschiene als Sachleistung zur Verfügung gestellt worden sei. Sie habe die Leistung in gutem Glauben entgegengenommen. Die Beklagte sei daher verpflichtet, sie von Forderungen der Verleihfirma freizustellen bzw. ihr die entstandenen Kosten zu erstatten. Inwieweit der Beklagten gegebenenfalls ein Regressanspruch gegen den verordnenden Arzt zustehe, sei nicht im vorliegenden Verfahren zu klären.
Gegen dieses ihr am 10. November 2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20. Novemb...