Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Verletzung der Pflicht zum Nachweis der fachlichen Fortbildung als Vertragsarzt mit eigener Zulassung. Mitglied eines Medizinischen Versorgungszentrums. keine Berechtigung der Kassenärztlichen Vereinigung zur Honorarkürzung des MVZ
Leitsatz (amtlich)
Hat ein Arzt, der bisher als Vertragsarzt mit eigener Zulassung tätig gewesen ist, in dieser Eigenschaft seine Fortbildungs(nachweis)pflicht nach § 95d Abs 3 S 1 bis 3 SGB V nicht erfüllt und wird er im Anschluss Mitglied eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ), ist die Kassenärztliche Vereinigung nicht berechtigt, wegen dieser Pflichtverletzung das vertragsärztliche Honorar des MVZ zu kürzen.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 3. Juli 2013 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 66.721 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Streitig sind Honorarkürzungen in den Quartalen III/2009 bis II/2010 wegen einer Verletzung der Pflicht zum Nachweis der fachlichen Fortbildung.
Die Klägerin nimmt als Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) mit mehreren Praxisstandorten an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Seit dem 1. Juli 2009 ist Dr. F. bei ihr als angestellter Arzt tätig. Zuvor war er vom 1. Januar 1995 bis zum 30. Juni 2009 als Facharzt für Radiologie zur vertragsärztlichen Versorgung in G. zugelassen.
Im Februar 2009 wies die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) Dr. F. darauf hin, dass alle Vertragsärzte in einem Fünfjahreszeitraum Fortbildungen im Umfang von mindestens 250 Fortbildungspunkten absolvieren und nachweisen müssten. Vertragsärzte, die bereits am 30. Juni 2004 zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassen, ermächtigt oder angestellt waren, hätten den Fortbildungsnachweis erstmalig bis spätestens 30. Juni 2009 zu führen. Bei fehlendem Fortbildungsnachweis - der grundsätzlich durch Vorlage eines Fortbildungszertifikats der Ärztekammer zu führen sei - müsse die Vergütung aus vertragsärztlicher Tätigkeit für die ersten vier Quartale nach Ablauf des Fünfjahreszeitraums um 10 vH sowie ab dem fünften Quartal um 25 vH gekürzt werden (Schreiben vom 5. Februar 2009).
Nachdem Dr. F. bis zum 30. Juni 2009 gegenüber der Beklagten keinen Nachweis über die fachliche Fortbildung nach § 95d Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) erbracht und zum 1. Juli 2009 seine Tätigkeit bei der Klägerin aufgenommen hatte, nahm die Beklagte in den Honorarbescheiden der Klägerin für die Quartale III/2009 bis II/2010 Honorarkürzungen um jeweils 10 vH des auf Dr. F. entfallenden Leistungsanteils vor. Dabei ergaben sich Kürzungsbeträge iHv 20.958,68 Euro (Quartal III/2009), 19.447,81 Euro (Quartal IV/2009), 13.294,29 Euro (Quartal I/2010) und 13.020,36 Euro (Quartal II/2010).
Im November 2010 legte die Klägerin der Beklagten einen “Fortbildungspunkte-Kontoauszug„ nebst Begleitschreiben der Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN) vor, wonach Dr. F. im Zeitraum vom 1. Juli 2004 bis zum 30. Juni 2009 279 Fortbildungspunkte erreicht hatte. Mit einem von der ÄKN und der Beklagten ausgestellten Fortbildungszertifikat vom 11. November 2010 ist ferner bestätigt worden, dass Dr. F. sich regelmäßig fortgebildet habe; berücksichtigt wurden hierbei anerkannte Fortbildungen im Zeitraum vom 11. November 2005 bis 10. November 2010. Dazu erklärte die Klägerin, Dr. F. habe es leider versäumt, sein Fortbildungspunktekonto rechtzeitig abzurufen und der Beklagten zu übermitteln. Den Abrechnungsunterlagen sei aber auch nicht zu entnehmen gewesen, dass die Honorarkürzungen wegen des fehlenden Fortbildungsnachweises von Dr. F. vorgenommen worden seien. Die Klägerin habe deshalb zunächst angenommen, dass die Kürzungen dem Kollegen H. zuzuordnen seien. Da Dr. F. seine Fortbildungspflichten zum 30. Juni 2009 erfüllt habe, werde um Gutschrift der Kürzungsbeträge gebeten.
Die Beklagte legte dieses Vorbringen als Widerspruch gegen die in den Honorarbescheiden für die Quartale III/2009 bis II/2010 erfolgten Honorarkürzungen aus und wies diesen Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2010, zur Post aufgegeben am 8. Dezember 2010). Der Nachweis von mindestens 250 Fortbildungspunkten im Fünfjahreszeitraum sei für Dr. F. nicht bis zum 30. Juni 2009 erbracht worden. Auf die Nachweispflicht sei mehrfach im Niedersächsischen Ärzteblatt (NÄBl) hingewiesen worden. Darüber hinaus sei Dr. F. schriftlich an seine Nachweispflicht erinnert und auf die Folgen eines fehlenden Nachweises hingewiesen worden. Demzufolge sei die Beklagte verpflichtet gewesen, das Honorar des MVZ - bezogen auf die abgerechneten Leistungen des Arztes - in den ersten vier Quartalen nach Ablauf des Fünfjahreszeitraums um 10 vH zu kürzen.
Am 3. Januar 2011 hat die Klägerin bei dem Sozialgericht (SG) Hannover Klage erhoben und dort geltend gemacht, sie selbst sei zu keinem Zeitpunkt über die Erforderlichkeit des Fortbildungsnachweises für Dr. ...