Entscheidungsstichwort (Thema)
Kürzung des Berufsschadensausgleichs wegen vorzeitigen Ausscheidens aus dem Erwerbsleben
Orientierungssatz
1. Der der Witwe eines Kriegsbeschädigten als Rechtsnachfolgerin bewilligte Berufsschadensausgleich ist ungekürzt zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass der verstorbene Ehemann ohne die Schädigungsfolgen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres erwerbstätig gewesen wäre.
2. Für die Glaubhaftmachung ist die gute Möglichkeit ausreichend, dass der Kriegsbeschädigte bei Hinwegdenken der Schädigungsfolgen seine Erwerbstätigkeit bis zum vollendeten 65. Lebensjahr fortgesetzt hätte. Maßgeblich sind die konkreten Umstände des letzten Beschäftigungsverhältnisses und die wirtschaftliche Lage des Beschädigten.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitbefangen ist eine Kürzung des dem verstorbenen Ehemann der Klägerin gewährten Berufsschadensausgleichs (BSA) in der Zeit vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 2000.
Die Klägerin ist Witwe und Rechtsnachfolgerin des am ... geborenen und zwischen dem 9. und 10. Oktober 2004 verstorbenen F.. Bei diesem waren infolge einer Kriegsverletzung zuletzt folgende Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) anerkannt:
1. Verlust des linken Beines in Unterschenkelmitte sowie der Zehen 2 bis 5 rechterseits mit Teilen der dazugehörigen Mittelfußknochen. Leichte Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk durch Narbenzug, umformende Veränderungen im Kahnbein-Keilbeingelenk.
2. Geringe Durchblutungsstörungen des rechten Fußes.
3. Narben und Pulvereinsprengungen auf der Stirn, in beiden Oberlidern, am Hals und an der vorderen Brustwand.
4. Zahlreiche Narben am rechten Bein. Geringgradige Übersplitterung der Hornhaut an beiden Augen ohne Beeinträchtigung des Sehvermögens.
5. Trommelfellnarben beiderseits, geringgradige Innenohrschwerhörigkeit rechts, geringgradige kombinierte Schwerhörigkeit links.
6. Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule.
Wegen dieser Kriegsverletzungen gewährte der Beklagte bis zum Tode des Kriegsbeschädigten Versorgungsleistungen nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von zuletzt 80 v.H. gemäß § 30 Abs. 1 BVG (Bescheid vom 13. Juli 1992) bzw. 90 v.H. gemäß § 30 Abs. 2 BVG (mit Wirkung ab 1. Januar 1996, Bescheid vom 14. Oktober 1996).
Der zuletzt als Filialleiter/Bankbevollmächtigter beschäftigte Ehemann der Klägerin trat nach Vollendung des 60. Lebensjahres und nach Erhalt einer Abfindung von 30.000 DM zum 1. Januar 1996 in den Ruhestand. Seitdem bezog er eine Altersrente für Schwerbehinderte, Berufs- oder Erwerbsunfähige. Wegen der durch das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben eingetretenen Einkommensminderung gewährte der Beklagte ihm ab 1. Januar 1996 BSA i.H.v. zunächst 1.450 DM monatlich. Hierbei ging der Beklagte von einer schädigungsbedingten Aufgabe der Erwerbstätigkeit aus, da die Anspruchsvoraussetzungen für eine Altersrente für Schwerbehinderte (§ 36 Sozialgesetzbuch 6. Buch - SGB VI) allein aufgrund der Schädigungsfolgen erfüllt waren (Bescheide vom 4. September und 14. Oktober 1996).
Nachdem der Ehemann der Klägerin im Dezember 1998 das 63. Lebensjahr vollendet hatte, kürzte der Beklagte nach vorangegangener Anhörung (Schreiben vom 28. Oktober 1998) zum 1. Januar 1999 den Zahlbetrag des BSA von zuletzt 1.663 DM auf 814 DM monatlich (Bescheid vom 5. Januar 1999). Der Beklagte stützte diese Neufeststellung des Berufsschadensausgleichs auf § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. § 8 Berufsschadensausgleichsverordnung (BSchAV), wonach das in die Berechnung des BSA eingestellte Vergleichseinkommen zum 1. Januar 1999 (1. des Folgemonats nach Vollendung des 63. Lebensjahres) auf 75 v.H. zu kürzen sei.
Der Widerspruch gegen die Kürzung des BSA wurde mit der ergänzenden Begründung zurückgewiesen, dass über 80 % der gesetzlich Rentenversicherten bei Vollendung des 63. Lebensjahres bereits aus dem Erwerbsleben ausgeschieden seien. Dementsprechend sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eine Kürzung des Vergleichseinkommens auf 75 % bereits zu diesem Zeitpunkt vorzunehmen, wenn der Kriegsbeschädigte nicht glaubhaft machen könne, dass er ohne die Schädigungsfolgen seine Erwerbstätigkeit über das 63. Lebensjahr fortgesetzt hätte. Beim Ehemann der Klägerin sei angesichts seiner guten wirtschaftlichen Verhältnisse davon auszugehen, dass auch er vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wäre. Er habe auch noch als Ruheständler das Jurastudium seiner Tochter finanzieren können (Widerspruchsbescheid vom 30. März 1999).
Mit der am 28. April 1999 beim Sozialgericht (SG) Hildesheim erhobenen Klage hat der Ehemann der Klägerin geltend gemacht, ausschließlich wegen der Schädigungsfolgen seine berufliche Tätigkeit aufgegeben zu haben. Bereits im Jahre 1994 habe seine Arbeitgeberin ihm wegen seiner gesundheitlichen Einschränkunge...