Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommen -GbR-Gesellschafter. Einkommensberücksichtigung. Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit. Einkommenszurechnung im Rahmen einer BGB-Gesellschaft. Gesellschaftsvertrag. Hilfebedürftigkeit. Bereite Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts. Betriebseinnahmen. Gewinnentnahme. Absetzbeträge. Lebensversicherung. Fahrtkosten. Unterhaltskosten. Wohngemeinschaft. Verteilung der Kosten für Unterkunft und Heizung. Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Vorläufige Entscheidung
Leitsatz (amtlich)
Die Einnahmen aus einem als BGB-Gesellschaft geführten Gewerbebetrieb können dem Leistungsberechtigten nicht ohne weiteres als eigene Einnahmen zugerechnet werden.
Normenkette
SGB II a.F. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 9 Abs. 1, § 11 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2, § 22 Abs. 1 S. 1, § 30; Alg-II-VO § 3; SGB III § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 3
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 15. April 2013 geändert.
Der Erstattungsbescheid des Beklagten vom 26. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2012 wird lediglich insoweit aufgehoben, als die geltend gemachte Erstattungsforderung den Betrag von 387,37 € übersteigt. Im Übrigen wird die Klage gegen diesen Bescheid abgewiesen.
Die darüber hinausgehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die endgültige Festsetzung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum vom 16. Juni bis 31. Dezember 2010 sowie eine hieraus resultierende Erstattungsforderung i.H.v. 2.828,33 €.
Der 1964 geborene, alleinstehende Kläger betreibt mit Herrn L. M. im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) eine Q-agentur in Osnabrück. Nach Ziff. 14 des Gesellschaftsvertrags vom 30. Januar 1996 werden Gewinne bzw. Verluste nach Ablauf eines Geschäftsjahrs jeweils hälftig auf diese beiden Gesellschafter verteilt. Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr (Ziffer 3).
Der Kläger bewohnte in dem streitbefangenen Zeitraum mit einer Mitbewohnerin eine 115 qm große Vier-Zimmer-Wohnung in N., für die eine Grundmiete i.H.v. 620,00 € sowie Vorauszahlungen für Heizkosten i.H.v. 70,00 € und für Nebenkosten i.H.v. 50,00 € (insgesamt 740,00 €) zu zahlen waren. Er gab im Rahmen der Antragstellung an, dass ein Gemeinschaftsraum vorhanden sei, die Mitbewohnerin ein Zimmer allein nutze und die übrigen beiden Zimmer von ihm - dem Kläger - genutzt würden. Die Kosten würden dergestalt aufgeteilt, dass er 540,00 € zahle und die Mitbewohnerin sich an der Warmmiete mit 200,00 € beteilige sowie die Kosten für Strom (monatlicher Abschlag von 51,00 €) und die Rundfunkgebühren (17,97 € monatlich) übernehme. Dementsprechend ergaben sich aus den vorgelegten Kontoauszüge für die Zeit von Januar bis Juni 2010 monatliche Überweisungen des Klägers an die Hausverwaltung in Höhe von 740,00 € sowie monatliche, mit dem Verwendungszweck “Miete„ versehene Gutschriften der Mitbewohnerin in Höhe von 200,00 €.
Der Kläger verfügte in dem streitbefangenen Zeitraum über eine kombinierte Berufsunfähigkeits- und Lebensversicherung, für die monatliche Beiträge von 83,00 € anfielen. Die monatlichen Kosten für eine Kfz-Haftpflichtversicherung beliefen sich auf 18,95 €. Es bestanden titulierte Unterhaltspflichten in Höhe von 312,00 € monatlich. Ferner waren monatliche Beiträge für eine private Kranken- und Pflegeversicherung i.Hv. 262,90 € und 27,30 € zu entrichten.
Am 16. Juni 2010 stellte der Kläger bei der Rechtsvorgängerin des Beklagten (nachfolgend einheitlich als Beklagter bezeichnet) wegen schlechter Auftragslage erstmals einen Antrag auf aufstockende Leistungen nach dem SGB II, worauf der Beklagte ihm mit Bescheid vom 2. Juli 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 18. August 2010 vorläufige Leistungen (einschließlich Zuschüssen zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung) i.H.v. 401,01 € für die Zeit vom 16. bis 30. Juni 2010, i.H.v. 801,98 € monatlich für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August 2010 und i.H.v. 439,98 € monatlich für die Zeit vom 1. September bis 31. Dezember 2010 gewährte. Der Beklagte wies in dem Bescheid vom 2. Juli 2010 darauf hin, dass die Einnahmen bzw. Ausgaben aus selbständiger Tätigkeit im Bewilligungszeitraum aufgrund der Angaben des Klägers zum voraussichtlichen Einkommen zunächst vorläufig festgesetzt worden seien. Der Kläger erhalte einen neuen Bescheid, sobald über seinen Antrag endgültig entschieden werden könne und sein Anspruch von dem jetzt bewilligten abweiche. Gegebenenfalls zu viel gezahlte Leistungen müsse der Kläger erstatten.
Am 1. Juli 2010 wurde dem Konto des Klägers eine Überweisung der Werbeagentur in Höhe von 215,00 € als Gewinnentnahme gutgeschrieben, weitere Gutschriften erfolgten am 1. November 2010 (400,00 €) und am 3. Dezember 2010 (400,00 €...