Entscheidungsstichwort (Thema)

Alterssicherung der Landwirte. Rente wegen voller Erwerbsminderung. sechsstündiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit. keine Bindungswirkung eines Rentenbewilligungsbescheides der DRV

 

Orientierungssatz

1. Auch wenn ein Versicherter seinen bisherigen Beruf (hier: als selbstständiger Landwirt) nicht mehr, dafür aber jedenfalls täglich sechsstündig körperlich leichte Tätigkeiten, wenn auch nur mit bestimmten Einschränkungen, ausüben kann, ist im Rahmen der Prüfung eines Rentenanspruchs aus § 43 SGB 6 die konkrete Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit nur dann erforderlich, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt.

2. Ein Bescheid der Deutschen Rentenversicherung über die (befristete) Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung entfaltet keine Bindungswirkung für die landwirtschaftliche Alterskasse.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 09.08.2018; Aktenzeichen B 10 LW 3/18 B)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der am 1959 geborene Kläger begehrt die Feststellung seiner Erwerbsminderung von dem beklagten Träger der landwirtschaftlichen  Alterssicherung.

Nach langjähriger Ausübung einer selbständigen landwirtschaftlichen Tätigkeit beantragte der Kläger im Dezember 2014 bei der Beklagten die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente; den landwirtschaftlichen Betrieb hat er bislang nicht aufgegeben.

Vom 9. bis 28. Juli 2015 nahm der Kläger an einem stationären Heilverfahren in der G. Klinik in H. teil. Ausgehend von den Diagnosen einer Polymyalgie rheumatica, eines 2004 erlittenen Bandscheibenvorfalls L4/5 sowie einer 2014 diagnostizierten Borreliose gelangten die Klinikärzte zu einem sechs- und mehrstündigen Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung. Insbesondere Überkopfarbeiten, übermäßiges Bücken und Beugen sowie Rotationsbewegungen im Bereich der Wirbelsäule seien zu vermeiden.

Der im Rentenverfahren als Gutachter gehörte Orthopäde Dr. 1. gelangte in seinen Gutachten vom 17. Februar und 19. Oktober 2015 zu einer vergleichbaren Einschätzung des Leistungsvermögens. Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 4. November 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2016 angesichts eines fortbestehenden jedenfalls sechsstündigen Leistungsvermögens ab.

Zur Begründung der am 1. Juli 2016 erhobenen Klage hat der Kläger ein aufgehobenes Leistungsvermögen geltend gemacht.

Das Sozialgericht hat eine Begutachtung des Klägers durch den Orthopäden Dr. J. veranlasst. Der Kläger erläuterte ihm, dass er einen großen Teil seiner landwirtschaftlichen Flächen verpachtet habe. 8 ha würden ihm “noch selbst gehören". Dort werde Mais angebaut. Die 15jährige Tochter helfe etwas.

Der Sachverständige gelangte in seinem Gutachten vom 28. Februar 2017 (ergänzt um eine Stellungnahme vom 21. April 2017) ausgehend von den Diagnosen einer Polymyalgie rheumatica, eines verschließbedingten HWS-Syndroms mit mittelgradiger Bewegungseinschränkung und eines lokalen LWS-Syndroms mit mittelgradiger Funktionseinschränkung zu der Einschätzung eines sechsstündigen Leistungsvermögens für leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung. Die rentenrechtliche Wegefähigkeit sei erhalten geblieben.

Parallel zum vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger auch gegenüber der Deutschen Rentenversicherung K. als Träger der allgemeinen Rentenversicherung um die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente nachgesucht. Diese holte ein internistisch-rheumatologisches Gutachten der Fachärztin Dr. L. vom 3. November 2016 ein. Die Gutachterin vertrat ebenfalls die Einschätzung eines sechs- und mehrstündigen Leistungsvermögens, zumindest für leichte Tätigkeiten unter Vermeidung insbesondere von Zwangshaltungen, häufigem Bücken, Zugluft und feuchtkalten Witterungsbedingungen.

Mit Bescheid vom 14. Juni 2017 sprach die Deutsche Rentenversicherung K. dem Kläger eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung für den Zeitraum Januar 2017 bis Dezember 2019 mit der Maßgabe zu, dass diese Rente aufgrund eines entsprechenden Hinzuverdienstes des Klägers nicht auszuzahlen sei.

Im vorliegenden Rechtsstreit gegen den Träger der landwirtschaftlichen Alterssicherung hat das Sozialgericht Osnabrück die Klage mit Gerichtsbescheid vom 1. November 2017, dem Kläger drei Tage später zugestellt, abgewiesen. Nach den vorliegenden Gutachten sei von einem fort bestehenden jedenfalls sechsstündigen Leistungsvermögen auszugehen.

Mit der am 22. November 2017 eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, dass sein Hausarzt Dr. M. die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente befürworte. leichte Tätigkeiten etwa als Pförtner oder Sortierer würden im weiten Umkreis seines Heimatortes gar nicht gesucht. Auch benötige er spätestens nach zwei Stunden einer Ruhepause. Morgens vor 10 Uhr sei er noch ...

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